: Historische Verantwortung
FRANKREICH Die Regierung in Paris setzt auf aktive Hilfe für die syrischen Rebellen. Aber längst nicht alle sind mit dieser Position einverstanden
PARIS taz | Die Pariser Staatsführung hat sich für eine rasche militärische Unterstützung der Aufständischen in Syrien ausgesprochen. Um Druck auf die EU zu machen, hatten Staatspräsident François Hollande und Außenminister Laurent Fabius erklärt, Frankreich werde die offizielle Beendigung des EU-Embargos nicht abwarten, um den Rebellen Waffen und anderes Material zu liefern. In französischen Medien zirkulierten zudem Gerüchte, solche Lieferungen hätten längst stattgefunden.
Für Frankreich geht es in den öffentlichen Verlautbarungen um Menschenrechte, Demokratie und andere hehre Grundwerte. Eine Rolle spielt auch die ohnehin schon instabile Situation im Nahen Osten, namentlich im Libanon, den Frankreich stets als Einflusszone betrachtet hat. Diesbezüglich besteht sogar so etwas wie ein historisches Verantwortungsgefühl. Wie im Libanon übernahm Frankreich auch in Syrien ab 1920 als Schutzmacht vom Völkerbund ein Mandat, das erst 1943 endete.
Abrupter Kurswechsel
Danach waren die Beziehungen zwischen dem Assad-Regime – und seiner als weltlich-progressiv eingestuften Baath-Partei – und den Gaullisten (unter Jacques Chirac und zu Beginn der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy) gut. Wie in Tunesien mit Ben Ali, in Ägypten mit Mubarak und in Libyen mit Gaddafi hatte Paris eigentlich viel zu lange aufs falsche Pferd gesetzt, um dann plötzlich und entsprechend abrupt den Kurs zu ändern.
Doch längst nicht alle in Paris sind mit einer aktiven Hilfe für die Rebellen einverstanden. Vor allem aus den Reihen der oppositionellen UMP heißt es, Frankreich setze sich unkalkulierbaren Risiken aus. Der Fraktionssprecher der UMP in der Nationalversammlung, Christian Jacob, warnte, Frankreich dürfe „sich in einem Konflikt dieser Größenordnung nicht in eine isolierte Position bringen“.
Florian Philippot, Vizepräsident des Front National, der schon gegen die Intervention in Libyen und Mali war, befürchtet, die Waffen würden zwangsläufig in die Hand von Feinden gelangen: „Wen wollen wir denn in Syrien unterstützen? Das sind doch Islamisten und Dschihadisten!“ Diesen Einwänden stellt Hollande sein Argument gegenüber, dass „trotz des Drucks, bis heute alle Anläufe zu einer politischen Lösung gescheitert sind“. Sollte nun noch bewiesen werden, dass die syrische Regierung C-Waffen einsetzt, hat Hollande noch das letzte Argument für die Rechtfertigung seiner forschen Politik.
RUDOLF BALMER