Schnell geschossen

TEMPO Beim „Kinokabaret“ werden Kurzfilme in 48 Stunden gedreht und geschnitten – und sofort gezeigt. Ab morgen trifft sich die Szene in Hamburg

Film ist eine teure Kunst und sie braucht viel Zeit. Dies scheinen Grundgesetze des Kinos zu sein: Selbst bei sogenannten Low-Budget-Produktionen ist die Finanzierung oft schwieriger als die Produktion und was heute gedreht wird, sieht man, wenn es ganz fix geht, im nächsten Jahr auf einer Leinwand.

Schon länger gibt es Initiativen gegen diese Verkrustungen der Kunst: Eine davon ist die Bewegung „Kino“, die 1999 in Montreal, Kanada gegründet wurde und aus Filmschaffenden besteht, die sich regelmäßig treffen, um nicht-kommerziell und schnell Filme zu produzieren und sie möglichst bald nach dem Dreh vorzuführen. Die Schnellschuss-Filmer treffen sich in vielen Ländern zu sogenannten Kinokabarets, die meist an Filmfestivals gekoppelt sind. Immer geht es darum, nach festen Regeln und Zeitvorgaben, gemeinsam Kurzfilme zu produzieren.

In Hamburg tut dies die Gruppe „Hamburgerkino“ nun schon seit zwölf Jahren in Verbindung mit dem Internationalen Kurzfilmfestival, dessen reguläres Programm am 4. Juni beginnt. Von der Grundidee bis zur Vorführung des Films sollen nicht mehr als 48 Stunden vergehen. Es gibt vier Runden: Ab dem 31. Mai, dem 2., 4. und 7. Juni wird produziert. Gezeigt werden die Filme dann am 1., 3., 6. und 8. Juni im Lichtmess, Metropolis, Knust und im Gängeviertel auf einer Open-Air-Leinwand.

Wer jetzt schnell noch mitmachen will, kann dies gleich wieder vergessen, denn um die 200 Filmfreaks aus aller Welt haben sich schon angemeldet. Gesucht werden nur noch Musiker, um die Filme ebenfalls in Rekordzeit zu vertonen. Das ist auch deshalb eine Herausforderung, weil in einer der Runden Stummfilme gedreht werden.

Man muss sich diese Veranstaltung als eine riesige Werkstatt von Filmenthusiasten vorstellen, denen der Prozess des Filmemachens mindestens so wichtig und lieb ist wie das fertige Werk. Gearbeitet wird ohne Budget und in Gruppen: Eine(r) macht die Regie, eine(r) die Kamera, eine(r) den Ton, andere kümmern sich um Requisiten sowie Drehorte – und dann wird losgedreht. Die Organisatoren rechnen mit einer Ernte von etwa 100 Filmen.

Abends und in der Nacht wird das Material gesichtet, geschnitten und von den Musikern vertont – am nächsten Tag dann nachgebessert, eventuell gibt es ein paar Korrekturen und Nachdrehs, und am Abend ist dann – meist in letzter Sekunde – der Film fertig und wird vorgeführt. Inzwischen gibt es Süchtige, die von Kinokabaret zu Kinokabaret reisen. Denn hier wird ein Kino gelebt, das viel Arbeit macht, aber auch viel Spaß verspricht. WILFRIED HIPPEN

Kinokabaret: 31. Mai bis 8. Juni, Hamburg. Vorführungen im Lichtmess, Metropolis, Knust und Gängeviertel