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Archiv-Artikel

Flüchtling erhängt sich in Eisenhüttenstadt

FLUCHT Suizid in Erstaufnahmestelle. Scharfe Kritik an der medizinischen Versorgung

Ein Flüchtling aus dem Tschad hat sich am vergangenen Dienstagabend in der Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt erhängt. Das Innenministerium in Potsdam bestätigte einen entsprechenden Bericht des Brandenburger Flüchtlingsrates. „Sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen des Betreuungspersonals und des alarmierten Notarztes blieben erfolglos, sodass der Notarzt nur noch den Tod feststellen konnte“, sagt Ministeriumssprecher Wolfgang Brandt. Nach Ministeriumsangaben handelt es sich um den ersten Fall von Selbsttötung in der Erstaufnahmestelle, seit diese im Jahr 1991 eröffnet wurde.

Der Flüchtlingsrat rückt den Selbstmord des Asylbewerbers in einen Zusammenhang mit der aus seiner Sicht schlechten medizinischen Versorgung in Eisenhüttenstadt. Freunden des Zwanzigjährigen sei bereits seit Wochen aufgefallen, dass der Mann, der zuvor über einen Überfall von Neonazis auf ihn berichtet hatte, psychisch auffällig war und sich nur noch in seinem Zimmer aufhalte, sagte Flüchtlingsratssprecherin Dorothea Lindenberg. „Der medizinische Dienst in Eisenhüttenstadt, der dem Innenministerium untersteht, sah aber keinen Handlungsbedarf“, sagt sie weiter. „Der Dienst ist dafür bekannt, dass er Anliegen von Asylsuchenden nicht unbedingt weiter verfolgt. Darauf haben wir schon im vergangenen Jahr das zuständige Innenministerium hingewiesen. Insbesondere für psychisch kranke Menschen ist die medizinische Versorgung eklatant unzulänglich.“

„Kein Abschiedsbrief“

Ministeriumssprecher Brandt weist diese Kritik zurück. Die medizinische Versorgung der Asylsuchenden in Eisenhüttenstadt sei „gewährleistet“. Weitere Erkenntnisse zu den Hintergründen der Selbsttötung habe das Innenministerium nicht. „Der Mann hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen.“

Die Kritik an der medizinischen Versorgung in Eisenhüttenstadt wird gedeckt durch Beobachtungen während eines Besuchs von Sozialminister Günter Baaske (SPD) vor Ort vor zwei Jahren. Er wurde von den Bewohnern mit vielen Fragen konfrontiert. Diese betrafen ganz überwiegend ihre Unzufriedenheit mit der medizinischen Versorgung. MARINA MAI