: „Nach den Heuschrecken keine Kakerlaken“
SPD-Finanzexperte Ortwin Runde verlangt von Banken, dass sie die Anleger der offenen Immobilienfonds schützen
taz: Herr Runde, viele Sparer sorgen fürs Alter vor, indem sie in offene Immobilienfonds investieren. Nun sind einige Fonds in Schieflage geraten. Was plant die Regierung?
Ortwin Runde: Zunächst sind die Akteure gefragt.
Geht es etwas konkreter?
Die Muttergesellschaften müssen einsteigen: Wenn ihre Fonds in Not sind, müssen sie Geld nachschießen. Es geht nicht, dass – wie im Dezember – die Deutsche Bank einfach einen Fonds schließt, wenn allzu viele Anleger ihr Geld abziehen. 300.000 Kleinanleger sind betroffen.
Eine umfassende Haftung der Mutterbanken scheint der zuständige Branchenverband BVI aber nicht zu planen. Werden Sie das Investmentgesetz entsprechend verschärfen?
Zunächst einmal muss der BVI Druck auf die Deutsche Bank ausüben, ihrem Fonds beizuspringen. Es gibt allerdings ein Problem: Viele Fonds haben überhaupt keine Muttergesellschaft.
Und das bedeutet?
Da kann man herzhaft wenig machen. Aber es erhöht die Sicherheit einer Anlage natürlich, wenn ein Fonds in einen Konzern eingebettet ist. Deshalb sollten sich Sparer gut über die jeweiligen Fonds informieren. Wenn man heiratet, sieht man sich ja auch die Mutter der Braut an.
Falls sich nicht alle Muttergesellschaften bereit zeigen, ihren Fonds zu helfen: Wann wird das Investmentgesetz novelliert? Erst hieß es Herbst, dann Sommer, und seit Montag will sich das Finanzministerium wieder Zeit lassen.
Das Gesetz kommt im Laufe des Jahres 2006.
Die Finanzbranche hofft darauf, dass Sie dann endlich auch REITs einführen, also börsennotierte Immobilienfonds.
Das ist nicht verwunderlich. Denn für Banken und Fonds wäre das viel risikoärmer. Sie müssten kein Geld mehr nachschießen, wenn Anleger ihre Mittel abziehen. Zudem würden die Banken viel besser verdienen – bei allen Neuemissionen und wenn die Anleger ihre REIT-Depots umschichten. Die Krise würde für die Banken zum Geschäft: Wenn ein Fonds an Wert verliert, dann würden auch die Anleger der anderen Fonds alarmiert und ihre insgesamt 90 Milliarden Euro bewegen. Da würden jedes Mal Gebühren an die Bank fällig. Diese Größenordnung kann süchtig machen.
Aber wie wollen Sie REITs verhindern? Die Einführung steht im Koalitionsvertrag.
Sie müssen genau lesen. Im Koalitionsvertrag haben wir als eine Bedingung festgelegt, dass durch REITs „positive Wirkungen auf den Immobilienmarkt“ zu erwarten sind.
Die Sie nicht erwarten?
Bei REITs besteht die Gefahr von Immobilienblasen. Deutschlands Mietwohnungen könnten zum Zielgebiet von internationalen Finanzstrategen werden, die maximale Renditen erzielen wollen. Wohnumfeld oder soziale Mischung interessieren dann nicht mehr. Wir müssen aufpassen, dass wir nach den Heuschrecken nicht die Kakerlaken in die Wohnungen lassen.
INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN