Grüner Parteichef: „Wir üben noch“

Reinhard Bütikofer über die Abnabelung von Übervater Joschka Fischer und den Fehler, in der Debatte um den Geheimdienst-Untersuchungsausschuss gleich zwei Positionen auf einmal zu vertreten: „Wir sind im Zickzack gefahren“

INTERVIEW ULRIKE WINKELMANN

taz: Herr Bütikofer, warum haben die Grünen die Chance verspielt, mit dem Antrag auf einen Untersuchungsausschuss in die konkrete Oppositionsarbeit einzusteigen?

Reinhard Bütikofer: Opposition heißt in diesem Fall Aufklärung. Der Untersuchungsausschuss ist nicht abgesagt. Auch wenn wir heute in der Öffentlichkeit wegen der Äußerungen der Fraktionsführung von gestern viel Prügel kriegen und die E-Mails auch sehr kritisch sind, halte ich an diesem Ziel fest. Wer jetzt sagt, der U-Ausschuss hat sich erledigt, täuscht sich. Sicherlich aber ist die Situation nicht einfacher geworden. Es ist offenkundig, dass wir Fehler gemacht haben.

Wer hat was falsch gemacht?

Vielleicht liegt es daran, dass wir zu lange versucht haben, zwei unterschiedliche Positionen beieinander zu halten. Die eine hat Joschka Fischer klar vertreten. Da geht es vorrangig darum, zu verhindern, dass jetzt eineinhalb Jahre Rot-Grün-Bashing organisiert wird. Die große Mehrheit im Parteirat, der Bundesvorstand und ich persönlich sind anderer Meinung: Priorität hat im Zweifel die Aufklärung. Wenn das so ist, kann ich nicht signalisieren, mir wäre es am liebsten, ich käme um den U-Ausschuss herum. Selbst wenn man eine Chance eröffnen will, auch ohne U-Ausschuss auszukommen, muss man glaubhaft machen, dass man ihn im Zweifel als Schwert einsetzt. Das ist uns nicht gut genug gelungen.

Das ist der Fraktionsführung, namentlich Renate Künast, nicht gelungen. Sie vertritt eine andere Meinung als Sie.

Die Linie verläuft nicht zwischen Partei und Fraktion. Es gibt auf beiden Seiten verschiedene Meinungen. Claudia Roth und ich sind uns dabei einig.

Es sieht aus, als könnten die Grünen sich schlicht nicht von Joschka Fischer abnabeln: Renate Künast hat erklärt, die Notwendigkeit eines U-Ausschusses sei geringer geworden.

Es geht jetzt nicht schon wieder um die Abnabelung von Joschka Fischer. Dieser Prozess ist längst unterwegs gewesen, bevor er auf ein führendes Amt bei den Grünen verzichtete. Jetzt hat er kein Amt mehr, spielt aber im Hintergrund mit. Das ist aber nicht das Problem. Ich halte nichts davon, die Frage nun zu personalisieren. Wir müssen sie unter dem Gesichtspunkt der politischen Glaubwürdigkeit entscheiden. Diese droht darunter zu leiden, dass der Eindruck entstand, wir legen das Schwert U-Ausschuss erst mal zur Seite. Wir sind in der Debatte im Zickzack gefahren.

Und? Was tun Sie jetzt?

À la PDS und FDP geht’s nicht. Ich finde ganz schlecht, was FDP und Linkspartei gestern aufgeführt haben. Deren Verhalten hat im Effekt nichts dazu beigetragen, den Druck gegenüber der Regierung aufrechtzuerhalten. Deren Gruppenantrag, der nur den schwarzen Peter zu den Grünen schieben soll, trägt zur Aufklärung nichts bei. Unsere Fraktionsführung hat den anderen Oppositionsfraktionen nun einen Brief geschrieben, damit die sich noch einmal zusammensetzen. Das finde ich auch sinnvoll.

Klingt nach mehr Zickzack. Ist der Versuch einer konstruktiven und gleichzeitig kritischen Opposition gescheitert?

Wir üben noch. Ich finde es richtig, dass wir nicht einfach als Haudrauf handeln, und wir können das in dieser Situation auch gar nicht. Aber wir sind kein Arbeitsgruppe zur Beweihräucherung der rot-grünen Geschichte, und wir sind auch nicht die Regierungspartei im einstweiligen Ruhestand.

Wenn Ende Februar der Bericht vorliegt, müssen Sie wieder entscheiden, ob Sie einen U-Ausschuss wollen. Kurz vor drei Landtagswahlen haben Sie Ihr Problem dann verdoppelt – Glückwunsch.

Nicht so sarkastisch! Differenzen sind für eine Partei, die sich neu aufstellt, nicht unehrenhaft. Wir haben in der Vergangenheit gute Erfahrungen damit gemacht, dass wir so etwas offen ausdiskutiert haben. Offensichtlich funktioniert es nicht, unterschiedliche Prioritäten dauerhaft mit Formelkompromissen zusammenzuhalten.

Die Unzufriedenheit mit der neuen Fraktionsführung, die das neue Oppositionsimage prägen soll, wird nun auch die Basis erfassen.

Wer mit einem Finger auf andere zeigt, auf den zeigen immer auch Finger zurück. Wir müssen das Problem gemeinsam lösen.