Weltweites Waldsterben made in Germany

Die Deutschen verbrauchen viel zu viel Papier und tragen so zur Vernichtung des Waldes bei, kritisiert der Alternative Waldschadensbericht

BERLIN taz ■ Um den deutschen Wald steht es sicherlich nicht zum Besten. Weltweit sind die Probleme jedoch noch größer – und Deutschland trägt kräftig zum internationalen Waldsterben bei. 590.000 Hektar Wald werden jährlich weltweit für deutsche Papier- und Zellstoffimporte gerodet, wie die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen schätzt. Diese Fläche ist doppelt so groß wie das Saarland.

Das in Deutschland verbrauchte Papier und der für die Papierproduktion eingesetzte Zellstoff stammen aus 130 Ländern, nur sechs Prozent des Zellstoffs stammen aus deutschen Wäldern. Die Schäden, die Deutschland an den Bäumen in anderen Ländern der Erde hervorruft, gehen in den Waldschadensbericht der Bundesregierung aber nicht mit ein. Diese Lücke will der „Alternative Waldschadensbericht“ von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation „urgewald“ und der Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz (ARA) schließen. Der in diesem Jahr erstmals herausgegebene Bericht beschreibt die weltweiten Folgen des deutschen Papierkonsums und der deutschen Politik und stellt Forderungen an Verbraucher und Entscheider.

„Jeder Deutsche verbraucht 235 kg Papier im Jahr. Damit ist Deutschland der weltweit viertgrößte Papierverbraucher“, sagt Lydia Bartz, Waldreferentin von urgewald. Der hohe Verbrauch ist Hauptkritikpunkt des alternativen Waldschadensberichts, denn er habe weitreichende Folgen. Die Produktion von Papier sei für 50 Prozent der weltweiten Abholzung verantwortlich. Zudem würden funktionierende Ökosysteme insbesondere in südlichen Ländern durch Zellstoff-Monokulturen ersetzt. Die so genanten grünen Wüsten böten der heimischen Pflanzen- und Tierwelt keinen Lebensraum mehr. Auch die Bevölkerung werde bei der Plantagenplanung oft übergangen und ihres Lebensraums beraubt.

Die Umweltschützer fordern deshalb von Privathaushalten und Großverbrauchern, ihren Papierkonsum um 50 Prozent zu verringern. Außerdem sollte Recyclingpapier stärker genutzt werden. „Seit dem Recyclingpapierboom Ende der Achtzigerjahre ist der Verbrauch bis zum Jahr 2002 um 80 Prozent zurückgegangen“, sagt Jürgen Wolters von ARA. „Wir sind zwar Weltmeister im Sammeln, aber nicht im Nutzen.“ Auch die Industrie sieht er in der Pflicht. Zellstoff sollte nicht mehr von Plantagen bezogen werden, die sozial oder ökologisch bedenklich wirtschaften. Außerdem sollte der Altpapiereinsatz, der in der deutschen Papierindustrie heute bei 65 Prozent liegt, weiter gesteigert werden.

Zweiter Hauptkritikpunkt der Umweltschützer ist die Rolle Deutschlands in der weltweiten Waldentwicklungsarbeit. Gut drei Jahre nach dem 2002 verabschiedeten Sektorkonzept „Wald und nachhaltige Entwicklung“ sei zu wenig passiert. Die Investitionen der Bundesregierung von 125 Millionen Euro jährlich würden „oft nicht zielorientiert ausgegeben“, sagt Wolfgang Kuhlmann von ARA. So habe der Bund in Kambodscha 4,3 Millionen Euro für ein Politikberatungskonzept gezahlt, das zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt habe. Die Korruption in der kambodschanischen Regierung sei noch immer hoch, weiterhin würden Bäume illegal gefällt. Um solche Fehlinvestitionen zu vermeiden, fordert Kuhlmann mehr Flexibilität bei der Projektplanung. Zudem hält er eine engere Kooperation auch mit nichtstaatlichen Trägern für sinnvoll. Falls dies in den Projekten der internationalen Staatengemeinschaft nicht möglich sei, empfiehlt Kuhlmann dem Bund „eigene Sonderfördermaßnahmen“.

Auch das politische Engagement für den globalen Waldschutz sei noch lückenhaft. So sollten Gesetzesvorlagen wie das Urwaldschutzgesetz auch von der neuen Bundesregierung konsequent weiterverfolgt werden. Nicht nur von der Politik, auch von den Endverbrauchern fordern ARA und urgewald, dass sie sich ihrer globalen Verantwortung für den Wald stellen. Sonst sei bald kein Wald mehr da, mit dem Deutschland sein Papierverlangen stillen könne. HEIKE SCHMIDT