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Archiv-Artikel

Den Islamisten auf der Spur

Mit einer Broschüre will Körting der Verwechslung von Islam und Islamismus entgegenwirken. Die Zahl der gewaltbereiten Muslime in Berlin sei „verschwindend gering“, so der Innensenator

VON ALKE WIERTH

„Klein und übersichtlich“ – so beschreibt Claudia Schmid, Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes, die neue Broschüre über Islamismus, die sie gestern mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vorstellte. Auf exakt 40 Seiten liefert das Heftchen einen Überblick über neun islamistische Organisationen, die auch in Berlin aktiv sind.

Klein und übersichtlich – für die islamistisch orientierte Szene in Berlin stimmt das leider nicht. Auf 3.600 schätzt der Verfassungsschutz die Zahl derer, die islamistischen Organisationen angehören. Gruppen also, die den Islam politisieren, um ihn zur Grundlage und Richtschnur einer Gesellschaftsordnung zu machen – so die Definition des Verfassungsschutzes.

Den größten Teil davon bilden die 2.900 Mitglieder der türkischen Organisation Milli Görüs, die vom Verfassungsschutz zwar als islamistisch, nicht aber als gewaltbereit eingestuft wird. Das Gleiche gilt für die mehreren hundert Personen, die der arabischen Muslimbruderschaft zuzuordnen sind. Bleiben einige hundert, die Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ideologie befürworten, und noch mal erheblich weniger, die tatsächlich selbst gewaltbereit sind. Dies sei „ein verschwindend geringer Teil“ der in Berlin lebenden Muslime: Das zu betonen ist dem Innensenator wichtig.

Die neue Broschüre ist deshalb vor allem ein Aufklärungsinstrument. Sie informiert über die relevanten islamistischen Gruppen wie die Hamas, die Hisb-ut-Tahrir oder den verbotenen Kalifatsstaat des in die Türkei ausgelieferten Metin Kaplan, über deren Ziele, Strukturen und Erkennungszeichen. Und sie liefert eine Einführung in die Geschichte des Islam und dessen extremistischer Verzerrung Islamismus. „Wir haben oft festgestellt, dass Islam, Islamismus und Fundamentalismus verwechselt werden“, sagt Körting. Islamische Organisationen würden deshalb oft als terroristisch eingestuft. Dies hält der Senator für ebenso falsch und verheerend wie den baden-württembergischen Muslim-Fragebogen, der Angehörigen islamischen Glaubens grundsätzlich „Bösartigkeit“ unterstelle: „Da werden falsche Feindbilder aufgebaut.“

Ungefähr 30 Prozesse wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten laufen in Berlin derzeit gegen Ausländer. Die Mehrheit davon seien Islamisten, sagt Claus Guggenberger, Sprecher des Verfassungsschutzes. Außerdem gebe es sechs Ausweisungsverfahren gegen islamistische Ausländer. Eines davon betrifft den früheren Imam einer Kreuzberger Moschee, der sich mit antideutschen Ausfällen und Sympathie für islamistische Gewalttäter um seinen Job gebracht hat. Der Islamischen Föderation, der er angehört, werden von Experten enge personelle und organisatorische Verbindungen mit der vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuften Milli Görus nachgesagt. In der Broschüre ist die Islamische Föderation, die als eine der klagewütigsten der islamischen Organisationen gilt, aber nicht aufgeführt.