DRITTER TAG : Nackte Männer im Kino, nackte Männer vorm Kino
Hallo! Das dominierende Thema des Berlinale-Wettbewerbs am gestrigen Freitag war Nacktheit. Männliche Nacktheit. Es fing an in „Howl“, dem Film über Allen Ginsberg und sein berühmtes Gedicht. Warum wurde der Film nicht in 3-D gedreht? Die wilden Animationssequenzen, die hier Ginsbergs Surfing auf seiner Schreibmaschine verbildlichen sollen – aus einem fahrenden Auto über einen DNA-Strang durch Sternschweife über einen abspritzenden Schwanz –, wären dreidimensional noch viel besser gekommen. Und so hätte Werner Herzog, der auf der Wettbewerbs-Eröffnungspressekonferenz am Donnerstag zum Thema erklärte, in „Avatar“ sei ihm die Balance zwischen digitaler Eindruckschinderei und substanziellem Storytelling nicht ausgewogen genug gewesen, einen neuen Lieblingsfilm gehabt.
Nackt ging es gleich weiter in Polanskis „The Ghost Writer“. Warum? Nun, es ist ein Film mit Ewan McGregor! Polanski hat in seinem Politthriller tatsächlich eine mit dem Tony-Blair/CIA-Plot in keinerlei Verbindung stehende Strip-Dramaturgie eingebaut: In McGregors Badewannenszene verirrt sich die Kamera zunächst unter keinerlei Schamgrenzen. Man denkt schon: Wie untypisch! Doch dann wird es Nacht, es wird Alkohol runtergekippt und schwupps! – gleitet der weinrote Bademantel zu Boden. Im Anschluss auf der Pressekonferenz mühten sich Hauptdarsteller Pierce Brosnan und McGregor dann redlich, Fragen nach ihrem Sex-Appeal wegzulächeln, währenddessen schien Robert Harris, der Autor der Romanvorlage, stolz darauf, dass – je mehr Enthüllungen um Tony Blair ans Licht kommen – der Film „mit jedem Tag mehr zu einem Dokumentarfilm wird“.
Und während derselben Pressekonferenz sorgte vor dem Berlinale Palast noch eine ganz andere Form von Nacktheit für Aufruhr. Erst sah es so aus, als trete jemand aus einer geheimen Sauna, um sich im Schnee zu wälzen. Doch dann fing der Splitternackte an zu schreien: Er habe keine Lust, sich von Politikern als „Mittelstandsmüll“ diffamieren zu lassen, er habe Aids und es satt, arm zu sein. „Soll ich etwa bei McDonald’s Buletten braten?“, fragte er in den Pulk der Autogrammjägerinnen – und es schallte zurück: „Klar, was machen wir denn?“ Die Polizeibeamten, die innerhalb von 30 Sekunden zur Stelle waren, forderten den Verzweifelten auf, seine Schuhe anzuziehen – „Wir wollen ja nicht, dass Sie sich hier den Tod holen.“ Wirklich so geschehen, bei dieser Berlinale. Und Ihnen ein gutes Wochenende! JAN KEDVES