IRAK UND ROT-GRÜN: AUCH JUSTIZMINISTERIN ZYPRIES HAT NUN BEDENKEN : Jetzt kommen die weniger Mutigen
Jetzt hat es auch noch die Justizministerin entdeckt. Die Vernehmung des Bremers Murat Kurnaz durch deutsche Sicherheitsbeamte im US-Lager Guantánamo sei ein Fehler gewesen, erkannte Brigitte Zypries (SPD) nun plötzlich – zweieinhalb Wochen nachdem auch CDU-Kanzlerin und Amerika-Freundin Angela Merkel überraschend die Existenz der umstrittenen Einrichtung auf Kuba kritisiert hatte. Auch sonst finden all jene, die seit dem US-Einmarsch im Irak zu den offenen und verdeckten Formen der deutsch-amerikanischen Kooperation geschwiegen haben, nun plötzlich offene Worte. Nur die wichtigsten Protagonisten rot-grüner Außenpolitik, Exkanzler Gerhard Schröder und Exaußenminister Joschka Fischer, verzichten auf eine Stellungnahme; allein die innenpolitischen Hardliner Otto Schily (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) finden alles richtig, was geschehen ist.
Als Rot-Grün die Amtsgeschäfte vor zwei Monaten abgab, galt die Außenpolitik als größter Aktivposten des sonst wenig geliebten Regierungsbündnisses. Niemand hätte wohl damit gerechnet, dass ausgerechnet die Aufarbeitung der Irakpolitik die Bilanz von Schröder und Fischer nachträglich verdunkeln und den weiter amtierenden SPD-Ministern das Leben erschweren könnte. Doch wie sich jetzt herausstellt, war vor allem Exkanzler Schröder mit seinen scharfen Tonfall Richtung Washington im Wahlkampf 2002 nicht aufrichtig. So eindeutig, wie er es in seinen Reden suggerierte, konnte er die Abgrenzung vom großen Verbündeten gar nicht vollziehen. Und so sehr kämpfte er danach um eine „Normalisierung“ des Verhältnisses, dass er nötige Kritik zumindest öffentlich nicht äußerte. Und so sehr auch waren Rote und Grüne in all den Jahren von ihrem „Friedenskanzler“ fasziniert, dass sie sich um solche Details nicht scherten. Ganz so, wie nur eine Linksregierung die Hartz-IV-Reform durchsetzen konnte, konnte wohl nur eine CDU-geführte Regierung wieder auf einen kritischen Kurs gegenüber Washington einschwenken.
Jetzt, wo Rot-Grün abgewählt und Bush angeschlagen ist, wo selbst enge Verbündete von den USA abrücken und auch die CDU Kritik übt, jetzt plötzlich wussten alle immer schon alles besser. Sehr mutig ist das nicht. RALPH BOLLMANN