AN DER FEINKOSTTHEKE : Gern, die Dame
Im Laden um die Ecke gibt’s leckere Oliven. Ich versuch mich zu entscheiden, neben mir versuchen das noch ein paar andere. Die Verkäuferin versucht, geduldig zu sein, aber schließlich fragt sie doch: „Wer ist als Nächster dran?“ Ich bin als Nächster dran, ich schaue auf und lächle.
„Ah, die Dame“, sagt die Verkäuferin. Ich bin mir nicht sicher, wen sie meint, ich seh nicht aus wie eine Dame, aber mal so überhaupt nicht, die neben mir sehen viel mehr aus wie Dame. Die haben lange Haare und Make-up, eine trägt sogar einen Rock. Aber die Verkäuferin schaut mich an und wartet darauf, dass ich was sage.
„100 Gramm davon“, sage ich.
„Und noch was für die Dame?“
„Und 200 davon, das war’s, danke“, sage ich, und die Verkäuferin sagt: „3 Euro 20, die Dame.“
Dreimal „Dame“ in so kurzer Zeit ist dann doch ein Rekord. Ich muss wohl extrem undamenhaft aussehen heute. Vielleicht liegt’s am Pullover, der ist neu und uneindeutig, weder Mann noch Frau, aber wohl doch ein bisschen mehr Dame als Herr, sonst hätte sie die ganze Zeit „mein Herr“ zu mir gesagt. Das war gestern so, gleich nebenan beim Blumenhändler, da hatte ich ein Karohemd an.
„8 Euro 10“, sagt die Verkäuferin zu der Frau im Rock. Sie verkündet den Preis ganz ohne „Dame“ im Satz, und auch sonst habe ich kein einziges „Dame“ gehört, seit sie es dreimal zu mir gesagt hat. So ist das eben mit „Dame“ – das kriegen heutzutage nur noch wir Uneindeutigen zu hören, in dem Versuch (so meine Theorie), uns eindeutig zu machen. Dabei hätte die Frau im Rock so ein „Dame“ doch viel eher verdient und bestimmt auch gern mal wieder gehört.
Als sie zur Ladentür geht, schließ ich mich ihr an. „Auf Wiedersehen, die Dame“, kommt es von hinten. Die Frau im Rock horcht auf, dann lächelt sie. Gern, die Dame, denke ich, fühl dich ruhig mitgemeint.
JOEY JUSCHKA