: Fahrrad statt Fury
BIKEPOLO Wenn „Bambule“ gegen die „Polonauten“ antritt, bleiben die Pferde im Stall, die Schläger aber werden gebraucht. Hardcourt Bikepolo ist ein echter Asphaltsport
VON JÜRGEN FRANCKE
Nein, Daniel spielt kein Eishockey. Auch wenn er gut eingepackt auftaucht mit dicken Handschuhen, Knie- und Schienbeinschützern und eben einem Eishockeyhelm. Er trifft sich mit seinen Kumpels auf einem Parkplatz am Rande des Bremer Weserstadions. Und er hat auch ein Fahrrad dabei, Marke „Wenig dran“, dazu trägt er einen leichten Aluschläger in der Hand. An dessen Ende befindet sich ein Hartplastikzylinder. Das ist der Schlägerkopf. „Viel mehr braucht man eigentlich nicht, um Bikepolo zu spielen“, sagt Daniel, 32 Jahre alt. „Am besten ist es natürlich, wenn mindestens sechs Leute zusammenkommen. Schließlich besteht eine Mannschaft aus drei Spielern.“
Daniel und seine Freunde legen gleich los. Sich aufwärmen? Nicht nötig. Und wie sie da auf die beiden improvisierten Tore, jedes ungefähr so breit, wie ein Fahrrad lang ist, losrauschen, wird schnell klar, warum Helm und Protektoren sinnvoll sind. Hardcourt Bikepolo wird, wie der Name schon sagt, auf Beton oder Asphalt gespielt. Ziemlich schnell und manchmal ein wenig ruppig. Mit dem traditionellen Radpolo, gepflegt von noch einigen regulären Vereinen, hat das wenig zu tun.
Gelenkt wird das Rad mit der linken Hand. Auf der linken Seite des Stummellenkers befindet sich auch der einzige Bremshebel. Daniel hat an seinem Rad Vorder- und Hinterbremse synchronisiert. Zwei Bremsen, ein Handgriff. In der rechten Hand hält der Spieler den Schläger. Es sei denn, man ist ein „Leftie“. Und damit gilt es halt, den Ball, einen tennisballgroßen „Streethockey-Ball“ und damit ganz schön hart, ins gegnerische Tor zu schießen. Manchmal aus voller Fahrt. „Richtig geil, wenn man den Ball genau mittig erwischt“, erläutert Daniel in einer Spielpause. Mittig heißt aber immer: mit den beiden runden Enden des Schlägerzylinders. Denn die Längsseiten des Schlägerkopfs dürfen ausschließlich zum Passen benutzt werden.
Seit 2009 wird in Bremen Bikepolo gespielt. Daniel, wie einige seiner Freunde auch, kommt aus der Fahrradkurierszene. Bei den Europäischen Fahrradkuriermeisterschaften im gleichen Jahr in Berlin, an denen er teilnahm, gab es im Rahmenprogramm ein Bikepolo-Turnier. „Absolut faszinierend“, erinnert er sich, „zu Hause bin ich gleich in den Baumarkt und hab mir ein paar Teile gekauft, um einen Schläger zu bauen. Angefangen zu spielen haben wir dann auf unseren Kurierrädern. Einfach drauf los.“
Zunächst spielten die „BikeBoysBremen“ auf Rädern für den Straßenverkehr. Zwar mit starrer Übersetzung, aber die war zu groß. Später wurde die Übersetzung wesentlich kleiner, es muss im Spiel also recht schnell getreten werden. Und die Bauweise der Laufräder wurde robuster. Mittlerweile mit 36 oder gar 48 Speichen. Außerdem kamen Bremsen dazu. Die sind notwendig, um auf dem Court abrupt zu stoppen oder das Hinterrad beim Bremsvorgang in die Luft zu heben. Dann kann der Spieler auf dem Vorderrad drehen und zügig in eine andere Richtung beschleunigen. Natürlich geht das auch schon mal schief, und der Fahrer landet hart auf dem Asphalt.
Bikepolo wird rund um den Globus gespielt. Auch in Indonesien, Kolumbien, China, Peru oder Polen. Die meisten Clubs oder Teams gibt es in den USA mit knapp 200. In Europa spielen die meisten Polo-Enthusiasten in Großbritannien, Frankreich, Italien und natürlich in Deutschland. Bei den kommenden Deutschen Meisterschaften in Oberhausen (5. bis 7. Juli) sind 50 Teams angemeldet. Manche von ihnen sind bereits etabliert. So wie die letztjährigen EM-Finalisten „Edisons“ aus Frankfurt, „tough shit“ (München), „Bambule“ (Berlin) oder die „Polonauten“ aus Wendelstein bei Nürnberg. Die treten übrigens auf Rädern an, mit denen eigentlich Radball gespielt wird. „Das ist ein ganz anderes Spiel mit denen“, so der Bremer Daniel.
Auch wenn das Street- oder Parkplatz-Bikepolo erst so richtig in diesem Jahrtausend populär wurde, ausgeübt wurde diese Sportart schon vor gut einhundert Jahren. Zunächst spielten Viererteams auf Rasen. Bereits 1891 wurde ausgerechnet in Irland das erste Match ausgetragen – auf einem Rugbyfeld. Zwischen den „Rathclaren Rovers“ und dem „Ohne Hast Cycling Club“, ebenfalls einer irischen Mannschaft, die sich jedoch diesen hübschen deutschen Namen zugelegt hatte. Bei den Olympischen Spielen 1908 in London fand sogar ein Demonstrationswettbewerb im Bikepolo statt. Wieder spielten die „Rovers“, diesmal gegen den „Deutschen Radfahrer Bund“. Es endete 3:1 für die Iren.
Heute wird nicht nur auf Parkplätzen gespielt, auch in Parkhäusern oder in Rollsportstadien. Meistens informell, die noch junge Szene pfeift auf die Vereinsmeierei, kennt wenig feste Strukturen außerhalb der jeweiligen Meisterschaften. Für Daniel, wie eigentlich für die gesamte Szene, steht Fair Play an erster Stelle. „Wir spielen gegeneinander und trotzdem miteinander. Und wenn jemand mal über die Stränge schlägt, dann wird er von allen sanktioniert.“ Spaß steht an erster Stelle, Turniere haben einen gemischten Wettkampf- und Partycharakter. Vermutlich hat sich so einer der vielen Bikepolo-Ausdrücke etabliert. Cheating, also schummeln, bedeutet, völlig nüchtern zu spielen. Jedenfalls in Australien.