: „Wir wollen politisieren“
Türkische Verbände gehen massiv gegen die Deutschpflicht an einer Weddinger Schule vor. Dass es sich dabei um eine freiwillige Vereinbarung handelt, ignorieren sie
Türkische Vereine und Verbände gehen massiv gegen eine Deutschpflicht auf Schulhöfen vor. Sie befürchten unter anderem eine Zunahme von Aggressionen bei Schülern aus Zuwandererfamilien und eine Diskreditierung kultureller Vielfalt.
Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass eine Weddinger Realschule seit eineinhalb Jahren in ihrer Hausordnung für alle Schüler verpflichtend festgeschrieben hat, dass auf dem Schulgelände nur Deutsch gesprochen werden solle. Seitdem tobt eine erregte Debatte: „Sprachverbot“ nennen die einen die Regelung, die andere zur Nachahmung empfehlen.
Die Pressekonferenz des Türkischen Bundes Berlin Brandenburg (TBB) gestern mit Vertreterinnen und Vertreter anderer türkischer Verbände glich so eher einer Podiumsdiskussion als einer Info-Veranstaltung für Medienvertreter. Deren Einwand, dass die „Deutschpflicht“ an der Schule aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Eltern-, Lehrer- und Schülervertretern zustande gekommen sei, wischte Eren Ünsal vom Tisch. Es gehe gar nicht um „Regelungen an einzelnen Schulen“, sagte die TBB-Sprecherin, sondern um „das, was dahintersteht“. „Wir wollen politisieren“, so Ünsal.
Für Turgut Hüner, Geschäftsführer des Türkischen Elternvereins, ist die Sache mit der Freiwilligkeit sowieso klar: Die mit entscheidenden Eltern seien „hinters Licht geführt worden“, meint er. Zwar habe es bislang von Eltern der betroffenen Schule keine Klagen gegenüber seinem Verein gegeben, aber, so Hüner: „Ich spreche für die Eltern, die später zu mir kommen werden.“
Es sei sehr schwer, permanent „in einer fremden Sprache zu leben“, erklärte Meral Dollnick, Sprecherin der Vereinigung Türkischer LehrerInnen und ErzieherInnen. Sie sieht durch die Regelung der Weddinger Realschule Grundrechte verletzt.
Günter Piening, Integrationsbeauftragter des Senats, hat Verständnis für die Erregung der Vertreter der türkischen Migrantenorganisationen. Dennoch rät er, die Fronten nicht weiter zu verhärten: „Wir sollten an dieser Angelegenheit keinen Kulturkampf entfachen“, so Piening. Die Entscheidung der Schule halte er zwar für falsch. Doch dass Schulen solche Experimente machten, sei richtig. „Wir brauchen eine Debattenkultur, in der Experimente auch mal schief gehen dürfen“, sagte der Integrationsbeauftragte.
Der TBB will die Debatte über das Thema fortsetzen: mit einer Fachtagung Mitte Februar. Bis dahin wolle man das Vorgehen der Weddinger Schule juristisch prüfen lassen, so TBB-Sprecherin Ünsal. ALKE WIERTH