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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Unschuldige zahlen für Krise

■ betr.: „Was IG Metall und Ver.di trennt“, taz vom 9. 2. 10

Der Kommentar von Thilo Knott ist haarsträubend. Ver.di Gier vorzuwerfen und „üppige“ Abschlüsse für Beschäftigte zu monieren, ist geradezu infam. Wer war denn gierig und hat die Wirtschaftskrise mit Ramschpapieren und zahlreichen Tricks mit Krediten verursacht? Wer hat sich denn üppig die Gehälter um 100 Prozent erhöht und Millionenboni gegönnt? Und hat nicht der Staat das alles zugelassen? Jetzt Mäßigung von der Arbeiterschaft in Zeiten der Wirtschaftskrise zu fordern, heißt nichts anderes, als dass die Unschuldigen für die Krise bezahlen sollen. Und dann das Totschlagsargument mit der Arbeitsplatzsicherheit. Jahrelanger finanzieller Verzicht hat rein gar nichts gebracht. Die Politik wollte die Arbeitslosigkeit schon längst halbiert haben, nichts ist daraus geworden. Außerdem sind die 5 Prozent keine reine Geldforderung. Ich bin entsetzt über solch einen billigen Artikel. MARION TRETSCHOK, Bremen

Geschichte à la Westerwelle

■ betr.: verboten, taz vom 13./14. 2. 10

Es ist ja nicht verwunderlich, dass Guido Westerwelle unter dem politischen Druck sinkender Umfragewerte der FDP das Erfolgsmodell des populistischen Wortes bemüht, um vor den Wahlen in NRW zu retten, was zu retten ist. Bemerkenswert dabei ist, dass er den Fall nicht mittels Profilierung in seiner Arbeit als Minister zu stoppen versucht, sondern in einem verzweifelt anmutenden Geschrei.

Dabei hat er mit wenigen Worten immerhin die Geschichte neu geschrieben, indem er quasi den Sozialismus für den Untergang des Römischen Reiches verantwortlich macht.

Gleichzeitig rückt er als Freier Demokrat ganz unerwartet in die Nähe von Marx und Engels, die den Ausspruch „Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet“ sicher gern als Initialzündung für eine flammende Rede zugunsten der Enteignung des Großkapitals aufgegriffen hätten. In dieser wäre dann sicher auch das Phänomen des „anstrengungslosen Wohlstands“ näher beleuchtet worden. Nicht Hartz IV, sondern Managerboni, Liechtenstein und XL-Schleckereien wären im Fokus der Aufmerksamkeit.

Gewöhnlich zeigt Westerwelle Toleranz in Bezug auf Verstaatlichung ja nur, wenn es um die Vergesellschaftung des Profits Weniger mittels Aufstockung von Niedriglöhnen durch steuerfinanzierte Sozialleistungen geht.

Überdies lässt sich die Dekadenz wohl vor allem dort erkennen, wo der Wert des Menschen über seine Leistung definiert wird und die Vorstellung davon, was jemand „hat“, allein am Ökonomischen orientiert ist. Das stellt aber niemand zur Diskussion. Und darin liegt der eigentliche Skandal. CLAUDIA BREITSPRECHER, Berlin

Bin kein Römling, bin kein Sklav

■ betr.: „Westerwelles ratlose Offensive“, taz vom 13. 2. 10

Ich bin kein Römling, ich bin kein Sklav; / ein deutscher Esel bin ich. Von allen Dächern schrei ich’s brav: / Geboren als Esel bin ich.

Der große Esel, der mich erzeugt, / er war von rheinischem Stamme; mit Bonner Eselsmilch gesäugt / hat mich die Mutter, die Mamme.

So sprach der Politikaster. Im Saal / die Esel Beifall rufen.

Sie waren sämtlich liberal, / und stampften mit den Hufen.

Sie haben des Redners Haupt geschmückt / mit deutschem Eichenkranze.

Er dankte I-A!, und hochbeglückt / wedelt’ er mit dem Schwanze.

(nach Heinrich Heines „Wahlesel“) NORBERT F. SCHAAF, Koblenz