: Alterspräsident setzt Ausrufezeichen
TENNIS Tommy Haas vergibt in einem Marathonspiel 12 Matchbälle und erreicht doch das Achtelfinale der French Open. Dort steht auch Philipp Kohlschreiber, während Angelique Kerber ausgeschieden ist
PARIS taz | Es war nicht sein wichtigster Sieg. Es war auch nicht sein schönster Sieg. Aber was der unverwüstliche Tommy Haas am Samstag in den roten Sand von Roland Garros zeichnete, das war nicht weniger als das größte Spiel seines Tennis-Lebens. Ein Sieg der Moral, der Leidenschaft, der Standhaftigkeit, ein Sieg, der die späten Karrierejahre des deutschen Tennis-Alterspräsidenten noch einmal mit einem kräftigen Ausrufezeichen versah. „Jeder hat heute gesehen, wie sehr ich meinen Sport noch liebe“, sagte Haas nach dem 7:5, 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (10:12), 10:8-Triumph bei den French Open in Paris gegen den Amerikaner John Isner, der mehr als viereinhalb Stunden dauerte und bei dem er sage und schreibe zwölf Matchbälle vergab.
Der 35-jährige Haas steht damit im Achtelfinale des Grand-Slam-Turniers und kann, vorausgesetzt ein Erfolg heute gegen den Russen Michail Juschni, erstmals das Viertelfinale erreichen. Diese Chance bietet sich auch dem Kollegen Philipp Kohlschreiber, der 6:0, 7:6 (7:0), 6:1 gegen den Rumänen Victor Hanescu gewann, nun aber auf den serbischen Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic trifft. Bei den Frauen dagegen ist keine Deutsche mehr dabei: Angelique Kerber verlor am Sonntag 4:6, 6:4, 3:6 gegen die Russin Swetlana Kusnezowa.
Kerbers Spiel war umkämpft, aber lange nicht so dramatisch wie der Erfolg von Haas, der selbst einen Matchball abwehren musste, ehe er bei seiner dreizehnten Sieggelegenheit endlich die Achterbahnfahrt beendete, diese verrückte Grenzerfahrung. Anschließend war nur einer das Thema der internationalen Presse: Thomas Haas, dessen zweiter, eher unbekannter Vorname nach dem „Tennis-Wahnsinn“ (L’Équipe) schnell die passende Ergänzung erhielt – „Super-Mario“ nämlich. Wie ein Sinn- und Abbild für seine stoische Standhaftigkeit in diesem Wanderzirkus wirkte, was er da produzierte in der berühmt-berüchtigten Stierkampfarena, auf Platz eins: Ein Mann, der sich von fünf Operationen in seiner oft unglücklichen Karriere genauso wenig unterkriegen ließ wie von allen Tief- und Nackenschlägen in einem Match, das selbst abgebrühte Naturen an den Rand des Herzinfarkts brachte. „Eins der aufwühlendsten Spiele der letzten zehn Jahre“ habe er da gesehen, gab Exsuperstar John McEnroe zu Protokoll, „mit einem Tommy Haas, vor dem man nur niederknien kann“. Und Frankreichs Davis-Cup-Kapitän Guy Forget nannte den Deutschen ein „Phänomen“, „einen Profi wie aus dem Lehrbuch“. JÖRG ALLMEROTH