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Archiv-Artikel

Lacoma in der Lausitz blieb nicht Lacoma

Lacoma ist ein Dorf bei Cottbus, das dem Braunkohletagebau zum Opfer fiel. Streitpunkt zwischen Stromkonzern und Aktivisten aber ist jetzt das Biotop, das hinter dem Dorf liegt. Ein Film im Babylon Mitte zeichnet die Geschichte der Landschaft nach

VON WALTRAUD SCHWAB

Derzeit versucht der Energiekonzern Vattenfall, der gerade die Bewag übernommen hat, sich als ökologisch orientiertes Unternehmen im Unterbewussten der Berliner und Berlinerinnen zu verankern: „Aus Bewag wird Vattenfall – und Umweltschutz bleibt Umweltschutz“ ist stadtweit plakatiert. Der Frage aber, ob die Werbestrategie des Konzerns und seine Politik deckungsgleich sind, geht der letztes Jahr fertig gestellte Film „Lacoma und der Konzern“ nach.

Lakoma ist ein kleines Dorf in der Lausitz unweit Cottbus. Noch zu DDR-Zeiten wurden die Menschen umgesiedelt, da das Dorf abgebaggert werden sollte. Als nach der Wende unklar war, wie es mit dem Braunkohletagebau in Brandenburg und der Lausitz weitergehen wird, erhielten ein paar Dutzend Menschen Nutzungsverträge für die leerstehenden Häuser in Lacoma. Erst durch sie wurde publik, von welcher Idylle das Dorf umgeben war. Teiche, vor mehr als 200 Jahren zur Fischzucht angelegt, hatten sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem einzigartigen Biotop entwickelt, in dem hoch gefährdete Insekten und Amphibien beheimatet sind.

Der Abschied vom Braunkohletagebau in der Lausitz fand nicht statt, und 2002 übernahm Vattenfall die Lausitzer Bergbaugesellschaft. Die Leute von Lacoma entwickelten sich in dieser Zeit mehr und mehr zu KritikerInnen von Bergbauplänen, die Naturressourcen ökonomisch zugunsten kurzfristiger Stromherstellung unterbewerten. Die AktivistInnen tun in der Folge alles, um die Lacomaer Teiche vor den Baggern zu retten. Immer wieder finden sie neue Lücken in den Genehmigungsverfahren und pochen darauf, dass Recht Recht bleibt. Die Stromwirtschaft hält mit rabiaten Mitteln dagegen: Mittlerweile wurden die Häuser, in denen die Lacomaer Naturschützer wohnten, zerstört, da deren Nutzungsverträge ausgelaufen sind. Aus Konzernsicht ein gelungener Schachzug, denn aus der Nähe des Biotops vertrieben, lässt sich Widerstand für die AktivistInnen schwerer organisieren.

Im vergangenen Jahr wurde der Low-Budget-Film fertig gestellt, der der umweltzerstörenden Politik in der Lausitz nachspürt. Denn die Gefahr besteht, dass die Abbaggerung einen ganzen Landstrich zur Wüste macht.

Um Braunkohle fördern zu können, muss nicht nur das Erdreich über der Kohle weggeschafft werden, Vattenfall pumpt auch sechsmal so viel Wasser ab, wie Kohle am Ende rausgeholt wird. Der ohnehin schon trockenen Lausitz wird damit zusätzlich von unten das Wasser entzogen. Obwohl viel über Renaturierung der Tagebaulandschaft geredet wird, ist kaum glaubhaft, wie dies mit wenig Wasser gelingen soll, denn durch die Klimaveränderung fällt gerade in der Lausitz weniger Regen als früher. Kommt hinzu, dass laut Film Vattenfall der größte Treibhausgaserzeuger Europas ist.

In dem Film werden all diese Aspekte auf fast spielerische Weise gegeneinander gestellt. Dabei konfrontiert die Filmemacherin Vivien Treuleben Politiker und Vattenfall-Verantwortliche mit der Diskrepanz zwischen ihren Aussagen und der Realität.

Auch die wenigen Verbündeten der Lacomaer und der anderen Menschen, die sich gegen die Zerstörung ihrer Dörfer wehren, kommen zu Wort. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer nimmt kein Blatt vor den Mund. Er kritisiert, dass die Stromkonzerne die Nutzung der regenerierbaren Energien verhindern, weil die Ressource Sonne nicht monopolisierbar ist. Zugleich sei es illegitim, wenn andere Techniken zur Energieerzeugung vorhanden sind, „an atomaren oder fossilen Energieträgern festzuhalten, obwohl sie die Lebensgrundlage zerstören.“

Der Film läuft am Sonntag um 16 Uhr im Babylon Mitte im Rahmen der Reihe „Kaffee und Film im Babylon“. Anschließend Diskussion unter anderem mit Elisabeth Schroedter (MdEP, Bündnis 90/Die Grünen) und dem Wasserwissenschaftler Wilhelm Ripl. Angefragt ist auch Hermann Scheer.