Vergessene Freunde im Frack

In China beginnt morgen das Jahr des Hundes. Wer denkt da schon an Pinguine?

PEKING taz ■ Heute ist Silvester, zumindest nach dem chinesischen Mondkalender: Das Jahr des Hahns geht zu Ende, morgen beginnt in ganz Ostasien das Jahr des Hundes. Nächstes Jahr haben wir das Jahr des Schweins, es folgen Ratte, Ochse, Tiger, Kaninchen, Drache, Schlange, Pferd, Ziege und Affe. Dann ist der Kreis geschlossen und alles geht von vorne los. Langweilige Sache, über die man dennoch immer wieder gern schreibt. So etwas nennt man Feuilleton.

Hier soll aber nicht vom Hund die Rede sein, sondern von Pinguinen. Pinguinen in Ostasien. Sie meinen, so was gäbe es nicht? Vergessen Sie Ihre Meinung bitte sofort wieder. Der Pinguin ist zufällig das am häufigsten anzutreffende Tier in der Region, nach dem Löwen und dem Drachen. Nur werden Letztere verehrt, während Pinguine brutal ausgeweidet und als Mülleimer benutzt werden. So wie das abgebildete Exemplar (Foto rechts), das in der Dau-Go-Höhle auf einer Insel in der vietnamesischen Ha Long Bucht steht. Ein Skandal, der aber keinen kümmert.

Das Europaparlament sorgt sich um Bären in China, deren Gallenblasen angezapft werden, um Medizin zu gewinnen. Auch Affen, denen man hier bisweilen das Gehirn auslöffelt, und sogar Haifischflossen haben ihre Lobby. Aber wenn es um die Freunde im Frack geht, muckt sich keiner; selbst Linux-Freax nicht, die ja immer meinen, sie seien etwas Besseres. Die halten sich zwar den Pinguin Tux als Maskottchen, weshalb sie auch jedes neue Jahr zum „Jahr des Pinguins“ erklären. Das findet die Linux-Sekte originell. Aber hat eigentlich schon mal einer nachgeguckt, was sie mit ihrem Pinguin so machen? Nö. Interessiert nicht; ist ja bloß ein Pinguin.

Noch schlimmer: Es sind gerade die vorgeblich so sensiblen Westler, die unsere malträtierten Pinguine auch noch verspotten. Ein gewisser Wilm Thiere aus 01737 Braunsdorf ist so einer. Er stellt sich neben einen Halong-Bucht-Pinguin, äfft seinen verzweifelt aufgerissenen Mund nach, lacht sich dabei scheckig und schickt das Trophäenfoto auf seiner Internet-Seite wilt-style.de in die Welt hinaus.

Doch damit nicht genug. Der Westen macht sich auch zum Komplizen der Pinguinschinder. Die Firma Shantou Lixin Plastic Products aus Kanton verarbeitet Pinguine zu bunten Plastikmülltonnen und vertreibt sie dann weltweit. In Europa werden sie gekauft und müssen nun auch noch den Dreck der ersten Welt schlucken. Sehen sie sich die Schweinerei ruhig mal an: http://www.chinese-suppliers.com/template/0/3406/productlist/Shantou-Lixin-Plastic-Products-Co.,Ltd..html (siehe Foto links).

Jetzt aber gibt es endlich Hoffnung für die malträtierten Kreaturen, denn jetzt ist einer aufgestanden. Es handelt sich aber um keinen doofen Tierrechtler aus dem Westen. Der Held ist ein 13-jähriger Schüler aus der chinesischen Provinz Sichuan. Er heißt Fei Biao und geht in die vierte Klasse der Kangding-Mittelschule, die am Fuß des Paoma-Berges liegt. Fei Biao, so schreiben wohl seine Lehrer auf der Homepage seiner Schule, liebt Fußball und Computerspiele. Und Pinguine, muss man hier ergänzen. Deshalb hat er auch eine Geschichte geschrieben. Sie heißt: „Die erschütternde Erzählung einer Pinguin-Mülltonne“ und wird uns gewiss die Augen öffnen. Sie soll demnächst auf der Schulseite erscheinen, auf Englisch, übersetzt von Fei Biao selber. Das hat die Schule fest versprochen. Doch leider folgten dieser Ankündigung bisher keine Taten. Jeden Tag, wenn wir auf die Seite surfen: Nichts. Was ist passiert? Wurde Fei Biao von der Mülltonnenmafia eingeschüchtert?

Wir jedenfalls wollen die Geschichte endlich lesen. Und nicht nur wir: Mülltonnenpinguine in China, Vietnam und wahrscheinlich auch Japan und Korea warten auf das Signal, um sich aus dem Dreck zu befreien. Wenn auch Ihnen das Schicksal der tollpatschigen Gesellen nicht egal ist, dann schreiben sie zu Neujahr Fei Biao doch einmal sehr freundlich, machen ihm Mut und sagen ihm, dass auch sie auf die Geschichte warten. Hier ist Fei Biaos Seite: http://www.khamaid.org/kangdingweb/english/kms/penguin.htm. Vielleicht wird dann am Ende doch noch alles gut im Reich der Pinguine. CHRISTIAN Y. SCHMIDT