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Archiv-Artikel

Erfüllungsgehilfe für Kasachstans Diktator

ITALIEN Behörden liefern Frau und Tochter eines Oppositionellen aus. Anwalt spricht von Sippenhaft

ROM taz | In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat Italien am Samstag die Frau und die sechsjährige Tochter des kasachischen Geschäftsmanns und Oppositionspolitikers Mukhtar Ablyazov nach Kasachstan abgeschoben. Dies jedenfalls behauptet der römische Rechtsanwalt der Familie, Riccardo Olivo.

Darf man dem Anwalt glauben, dann rückte die italienische Polizei gleich mit 50 Beamten in einen Vorort Roms aus, um Ablyazov zu ergreifen. Doch er selbst konnte entkommen, während seine Frau Alma Shalabayeva und die Tochter festgesetzt wurden und umgehend nach Kasachstan ausgeflogen wurden. Olivo erklärte der Webseite www.oggi.it , die formale Grundlage der Abschiebung sei, dass Shalabayeva angeblich einen gefälschten Pass der Zentralafrikanischen Republik benutzt habe.

In der Substanz aber handle es sich um die Auslieferung zweier Angehöriger eines unliebsamen Oppositionellen an den Diktator Nursultan Nasarbajew – um einen Fall von Sippenhaft also, bei dem die italienischen Behörden nach Auffassung des Anwalts mitgeholfen haben.

Der 50-jährige Mukhtar Ablyazov war seit den frühen 90er Jahren in Kasachstan als Geschäftsmann aktiv. 1998 kaufte er die BTA-Bank, im gleichen Jahr wurde er für kurze Zeit Energie- und Industrieminister Kasachstans. Doch nach dem Zerwürfnis mit Nasarbajew beteiligte er sich 2001 an der Gründung einer Oppositionspartei. Nur ein Jahr später wurde er verhaftet und wegen „Machtmissbrauchs“ in seiner Zeit als Minister zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, kam aber schon nach wenigen Monaten frei und betätigte sich fortan erst von Moskau, dann von London aus als Bankier.

Nach der Pleite der BTA-Bank strengte Kasachstan in Großbritannien eine Klage gegen ihn an, die ihm nicht nur die Verurteilung zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar für die insolvente Bank eintrug, sondern auch eine 22-monatige Haftstrafe wegen Missachtung des Gerichts. 2011 tauchte Ablyazov unter, wahrscheinlich ging er nach Rom.

„In Kasachstan ist Folter an der Tagesordnung“, erklärte der Sprecher von Amnesty International Italien, Riccardo Nuri, gegenüber der taz. Bei der mit größter Eile vorgenommenen Abschiebung handele es sich um „einen äußerst gravierenden Fall“. Gegen Shalabayeva lag kein Haftbefehl vor, „jetzt ist sie dem hohen Risiko ausgesetzt, eine unmenschliche Behandlung zu erleiden“, klagt Anwalt Olivo an. Zudem habe sie sich bereit erklärt, freiwillig Italien zu verlassen, doch die Ausreise in ein Land ihrer Wahl sei ihr verweigert worden. MICHAEL BRAUN