: Eingekesselt und aufgelöst
POLIZEIEINSATZ Beamte beenden die friedliche Blockupy-Demo in Frankfurt. Das linke Bündnis wittert eine geplante Aktion
AUS FRANKFURT TIMO REUTER
Gegen Mitternacht begannen einige der Demonstranten, die dem Aufruf des Protestbündnisses Blockupy gefolgt und nach Frankfurt am Main gekommen waren, vor dem Hautbahnhof zu jubeln: Ein vorbeifahrendes Abschleppfahrzeug hatte ein Polizeiauto geladen. „Ob der falsch geparkt hat?“, unkte ein junger Mann. Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung bei den meisten Aktivisten wieder gelöster – wenige Stunden zuvor sah das noch ganz anders aus.
Am Samstagmittag kesselte die Polizei die Blockupy-Demonstration in Frankfurt ein – und löste sie schließlich nach mehreren Stunden durch den Einsatz massiver Gewalt auf. Die Aufregung darüber hat sich auch am Tag danach nicht gelegt: „Das war ein Skandal. Wir prüfen juristische Schritte gegen die verantwortlichen Behörden“, so Bündnis-Sprecher Roland Süß am Sonntag.
Die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, die selbst an der Demonstration teilnahm, kündigte ein „politisches Nachspiel“ an. Dieser Kritik schloss sich auch der SPD-Chef der Mainmetropole, Mike Josef, an: „Frankfurt gibt in Sachen Versammlungsfreiheit ein ganz schwaches Bild ab.“ Dabei war am Anfang alles friedlich, bunt und laut: Die Demonstration startete um 12 Uhr mit Tausenden Teilnehmern aus ganz Europa, die Polizei spricht von 7.000, Blockupy von mindestens 20.000. Gewerkschafter waren ebenso vertreten wie Stuttgart-21-Gegner, radikale Antikapitalisten liefen gemeinsam mit bunt kostümierten Attac-Anhängern.
Bereits am Freitag hatten Tausende von ihnen friedlich in Frankfurt demonstriert – die Polizei hielt sich meist zurück. Anders jedoch am Samstag: Kurz nach Demobeginn separierten die Beamten plötzlich den antikapitalistischen Block mit Hunderten Aktivisten – nur rund 200 Meter vor der Europäischen Zentralbank (EZB), wo eigentlich die Abschlusskundgebung stattfinden sollte. Die Polizei begründete dies mit der Vermummung einiger Aktivisten sowie Verstößen gegen Demo-Auflagen, etwa die maximale Länge von Transparenten. Außerdem seien Leuchtraketen geflogen. „Wir hatten leider keine andere Wahl“, so der Präsident der Frankfurter Polizei, Achim Thiel.
Da die Demonstration bis zum Eingreifen der Polizei aber friedlich blieb, vermuten die Organisatoren andere Gründe: „Alles deutet darauf hin, dass diese Eskalation von der Polizeiführung von langer Hand vorbereitet wurde“, so Ani Dießelmann von Blockupy. Dem widersprach Thiel: „Das ist völlig aus der Luft gegriffen.“ Der Landtagsabgeordnete der hessischen Linkspartei, Hermann Schaus, der sich als parlamentarischer Beobachter im eingekesselten Block befand, ist sich sicher, dass der Plan „von vornherein war, die Demo zu kriminalisieren. Der hessische CDU-Innenminister braucht das für den diesjährigen Wahlkampf.“ Das Innenministerium war am Sonntag für die taz nicht zu erreichen.
Über 200 Verletzte
Dabei gibt es einigen Erklärungsbedarf zum Einsatz vom Samstag. Die Polizei setzte immer wieder Pfefferspray und Schlagstöcke ein, im Kessel, aber auch gegen andere Demonstranten. Schließlich begannen die Beamten mit der Räumung des Kessels, um die Personalien der Teilnehmer festzustellen und sie zu durchsuchen. Zunächst wurden die parlamentarischen Beobachter um Schaus und Kipping abgeführt, danach wurde es rabiat: Demonstranten bluteten, ein anderer lag fast bewusstlos am Boden, insgesamt geht das Bündnis von über 200 Verletzten aus.
Auch mehrere Journalisten wurden in Mitleidenschaft gezogen. Einer von ihnen musste wegen des Einsatzes von Pfefferspray in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Vereinzelt flogen Gegenstände auf Polizisten, zudem ist laut einem Polizeisprecher ein Beamter mit einem Schraubenzieher verletzt worden.
Während der dreistündigen Räumung harrten Tausende anderer Demonstranten vor und hinter dem Kessel aus, um ihre Solidarität zu zeigen. Die meisten waren empört – und sauer auf das Vorgehen der Polizei. Der Anmelder der Demo, Werner Rätz, bilanzierte: „Frankfurt ist für die Demokratie anscheinend ein schlechter Ort. Gerade deswegen gehe ich davon aus, dass Blockupy nächstes Jahr wiederkommt.“