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Archiv-Artikel

Nein sagen ist der Kern jeder Ethik

AUFARBEITUNG Ilona Zioks „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ (Panorama) über einen der wichtigsten Juristen der jungen Bundesrepublik

Die Nachgeborenen stellen es mit Verwunderung fest. Es gibt zwar eine Rudi-Dutschke-Straße, aber in ganz Deutschland keine einzige Fritz-Bauer-Straße. Hatte Götz Aly etwa nicht recht mit der Feststellung, dass einige tatkräftige bürgerliche Demokraten einst die Weichen für die Route gestellt hatten, die der Zug von 1968 nehmen konnte?

Für die Studierenden der Technischen Universität Karlsruhe war das in den Sechzigern gar keine Frage. Sie luden den hessischen Generalstaatsanwalt Bauer zu einem Vortrag ein. So kam einer der wichtigsten Juristen der jungen Bundesrepublik in die Stadt des Bundesverfassungsgerichts nicht auf Einladung von Juristen, sondern wissbegieriger junger Leute.

Die Justiz jener Jahre war von Nazis durchsetzt. Bauer, der schwäbische Emigrant aus jüdischem Elternhaus, war dort alles andere als beliebt. Es gab Juristen, die bedauerten, dass man ihn zu vergasen vergessen habe. Und es gibt nicht wenige Freunde, die glauben, Bauer sei 1968 ermordet worden, wie man in Ilona Zioks „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ erfährt. Ziok geht es aber nicht um die Umstände von Bauers Tod. Ihr Film zeigt das Wesentliche: Wie Bauer alles daransetzte, die Bundesrepublik zu einem demokratischen Staat zu machen. Dafür musste die Nazivergangenheit aufgearbeitet werden: „Alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden“, analysierte Bauer. Der Jugend bläute er ein, dass Nein zu sagen den Kern jeder Ethik ausmache.

Bauer sorgte für die Rehabilitierung der Verschwörer vom 20. Juli. Und es war Bauer, der dem Mossad den Aufenthaltsort von Eichmann in Argentinien mitteilte, weil er der deutschen Justiz misstraute. Mitte der Sechziger trieb Bauer den Auschwitzprozess voran, mit dem die öffentliche Debatte über die Nazivergangenheit in Deutschland überhaupt erst begann. Die Umsetzung seiner Reformvorschläge zur Humanisierung des Strafvollzugs hat er nicht mehr erlebt.

Ziok lässt Kollegen, Freunde und Verwandte erzählen. Sie bedient sich einer Vielzahl von historischen Filmquellen, die sich zu einer dichten, spannenden Erzählung zusammenfügen. Dass die Filmemacherin aber das Material durch melodramatische Musik emotionalisiert, ist mehr als unnötig: Es ist brutal, einen Film, der auch die Leichenberge in den Vernichtungslagern zeigt, mit Sinatras „My Way“ enden zu lassen. ULRICH GUTMAIR

Heute, 17.30 Uhr, Cubix 7