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Archiv-Artikel

Wenn gar nichts mehr geht

Das soll es gewesen sein? Der Rapper Bushido machte am Freitag im Zuge seiner „Staatsfeind Nr. 1“-Tour in der Columbiahalle halt und verpasste gründlich die Gelegenheit, die Stadt von seiner Gefährlichkeit zu überzeugen

VON TOBIAS RAPP

Wenn gar nichts mehr geht, das ist die Faustregel für HipHop-Konzerte, dann muss man einfach „Berlin!“ schreien, und alle sind wieder dabei. So gesehen ging bei Bushido öfter nichts: Denn so viel „Berlin!“-Geschrei wie bei seinem Auftritt in der Columbiahalle am Freitag war selten.

Was hatte man nicht alles erwartet – „Staatsfeind Nr.1“ heißt Bushidos aktuelle Platte schließlich, auf der er sich in adäquater Paranoia als von tausend Feinden Gejagter inszeniert. Okay, es handelt sich nur um Monika Griefahn, ein paar andere Rapper, Vertreter von Schwulenverbänden und die österreichische Justiz. Aber immerhin, in Linz hat er ein paar Tage im Gefängnis gesessen. Meinen die Feinde es also ernst, oder was? Und weil das so überzeugend gefährlich aussah, zitterte die Welt in den vergangenen Wochen auch gründlich in Erwartung eben jener Tour – bis in die radikale Linke hinein: Die Jungle World grub mit Günther Jacob gar den großen alten Mann der militanten Popkritik aus, um sich auf einer Doppelseite beruhigen zu lassen: Bushido ist auch nicht schlimmer als ein Splatterfilm. Und wegen der großen Nachfrage war das Konzert dann tatsächlich vom ColumbiaClub in die Columbiahalle verlegt worden – die ausverkauft war.

Und dann? Passierte im Grunde nichts. Begleitet von einer routinierten Muckertruppe spielte Bushido sein Programm herunter. Zur mäßigen Begeisterung des Publikums, das immer nur dann aus dem Häuschen geriet, wenn es als Berliner Publikum angesprochen wurde. Und das lief dann immer (wirklich immer, irgendwann wollte man ob dieser an Stumpfheit kaum zu überbietenden Sketche zwischen den Stücken nur noch nach Hause) nach folgendem Muster ab: „Ey, Alta“, sagte Bushido dann zu Saad, seinem Rap-Partner, der in der Rolle des gehirnamputierten Sidekick brillierte, „wie heißt noch mal dieser Typ?“ – „Hmm?“ – „Ah ja, Robbie Williams, Alta. Ich komm mir vor wie im Olympiastadion, Alta.“ – „Alta, wir ficken Robbie Williams!“ – „Alta, Berlin!! Was geht!!“ Zur Pointe (also zum Wort Berlin) gab’s dann einen Trommelwirbel wie bei einer Karnevalsveranstaltung. „Mein Gott, Alta. Ich weiß echt nicht, ob ich so glücklich wäre, wenn ich nicht als Berliner auf die Welt gekommen wäre.“

Nun ist es ein offenes Geheimnis, dass die HipHop-Kultur ein ausgeprägtes Verhältnis zum Ort ihres Entstehens hat, und Bushido ist Berliner. Aber dass es ihm gelang, mit den schalsten Witzchen (über die auch tatsächlich nie jemand lachte, die mit traumwandlerischer Sicherheit ins Leere gingen) sein Publikum jedes Mal wieder in Wallung zu bringen, so bald das B-Wort fiel – das war erstaunlich.

Ja, mitunter konnte man homophobe Tendenzen feststellen, anhand der lyrischen Gleichsetzung von „schwul“ und „Opfer“, das „gefickt“ wird. Aber auch das relativierte sich doch recht bald: Spätestens als Bushido seinen Mitbewohner Chakuza auf die Bühne holte und mit den Worten vorstellte, mit dem hätte er jetzt eine „Schwulen-WG“ aufgemacht. Mit viel bösem Willen kann man Homophobie dazu sagen. Sinnvoller geht man wahrscheinlich von der Hypothese aus, dass in gesellschaftlichen Subsystemen, in denen viele junge Männer zusammenhocken und der Kontakt zu Frauen ein Problem ist, Homosexualität eben ein Thema wird. Sei es bei Dreizehnjährigen auf dem Schulhof, für die Mädchen geheimnisvolle Ungeheuer sind, sei es bei Sechzehnjährigen auf der Straße, die mit dem patriarchalen Wertekanon ringen, den sie von zu Hause mitbekommen haben. Das ist das HipHop-Kernpublikum, für das diese Texte geschrieben werden.

Es war eine vor allem in ihrer Harmlosigkeit erschreckende Veranstaltung. So stand man in der Columbiahalle und wünschte sich, all die großen Warner und Mahner, die in einem fort die Gefahren geißeln, die von Rappern wie Bushido ausgehen, würden sich einmal einen seiner Auftritte anschauen: Das einzig Bedenkliche am deutschen HipHop, konnte man dort feststellen, ist die schier grenzenlose Verblödung seines Publikums.