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Archiv-Artikel

Marlene und das Meer

Richard Fleischhut bereiste von 1905 bis 1939 die Weltmeere und dokumentierte als Bordfotograf das Leben auf den Schiffen und in den Hafenstädten. Derzeit zeigt eine Ausstellung in Kiel sein Werk

„Mr. Wonderful“ nannten sie ihn oder auch den „Allgegenwärtigen“, der mit seiner Kamera das Geschehen an Bord festhielt, Prominente wie Marlene Dietrich oder Gary Grant ablichtete oder Auswanderer auf ihrer Überfahrt nach Amerika. Der selbst dann noch arbeitete, als die „Columbus“, das letzte Schiff, mit dem er fuhr, im Dezember 1939 in Feuer und Rauch aufging. Jetzt würdigt eine Ausstellung im Stadt- und Schifffahrtsmuseum Kiel den 1951 mit 70 Jahren gestorbenen Fotografen Richard Fleischhut mit einer Werkschau.

Es sind wunderschöne und oft auch witzige Fotos darunter. Viele Fotografierte wirken so, als machten sie sich über die eigene Pose lustig. Er selbst zeigt sich beim Schuhe putzen oder in seiner Berufskleidung als Konditor: Fleischhut war nämlich ab 1905 zuerst als Kuchenbäcker zur See gefahren, auf der „Kronprinz Wilhelm“ ab Bremerhaven, wo er sich auch ein „Atelier für moderne Photographie“ eingerichtet hatte. Schon während dieser Zeit nahm er, der als 16-Jähriger im pommerschen Köslin eine Fotografenlehre begonnen hatte, seine Kamera zur Hand. Zwei Jahre später heuerte Fleischhut erstmals offiziell als Bordfotograf auf einem Schiff der Bremerhavener Reederei Norddeutscher Lloyd an, für die er bis 1939 über die Meere fuhr.

Eine große Rolle spielte „Bremen“ in seinem Leben. Weniger die Stadt, in der er von 1927 bis Kriegsende lebte, sondern der Atlantik-Cruiser. 154 Mal setzte er ab 1929 mit dem „Blauen Band“ nach New York über, bekam dabei SchauspielerInnen, Politiker und andere Berühmtheiten vor die Linse.

Dabei waren Menschen nur eines seiner Sujets: Er fotografierte auch Landschaften, Straßenszenen oder den Sultanspalast im marokkanischen Marrakesch. Und immer wieder: das Meer in all seinen Zuständen. Seine Bilder kämen „ohne künstlerische Ambitionen daher“ und ließen „sogleich künstlerischen Gestaltungswillen erkennen“, schreibt Herrmann Haarmann im Katalog zur Ausstellung, den er gemeinsam mit der Enkelin Fleischhuts, Ingrid Peckskamp-Lürßen, herausgegeben hat.

„Der bescheidene Kommunikator des Lebens an Bord“ sei anders als sein Nachfolger Hanns Tschira immer mehr als ein „nüchterner Betrachter“ gewesen. An Tschira schreibt er übrigens zwei Jahre nachdem der Kapitän der „Columbus“ auf Geheiß der Nazis das Schiff anzünden ließ, damit es nicht an die Engländer geht: „Du musst vor allem wissen, dass ich sozusagen mit Hemd und Hose mein Schiff verlassen musste, um das nackte Leben zu retten, während alles, auch alles an Apparaten und Maschinen, Negativen, restlos verbrannte und in die Tiefe ging. Der Erfolg einer langjährigen Seefahrt: ein blöder Abschluss.“

Mit dem Untergang der „Columbus“ verlor Fleischhut auch seinen Arbeitsplatz und geriet in Kriegsgefangenschaft. Seine Karriere, die die Nazis ab 1937 wegen des jüdischen Mädchennamens seiner Frau und seines freundlichen Umgangs mit Juden an Bord erschwert hatten, war zu Ende. Eiken Bruhn

Mit der Kamera in die Welt. Der Bordfotograf Richard Fleischhut (1881 – 1951): Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum, Wall 65, Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr. Bis 5. März. Vom 18. März bis 21. Mai dann im Ostfriesischen Landesmuseum in Emden.