: Mit Kapitän, bitte!
Bordfotografie heute : Fotograf Christian Bierlein über das Galakleid, den Sonnenuntergang und die Amerikaner
Bordfotografen fahren auch heute noch auf Kreuzfahrtschiffen mit. Die Reedereien vergeben Konzessionen an Firmen, die bis zu sechs FotografInnen – die Hälfte sind Frauen – für ein halbes Jahr an Bord schicken. Christian Bierlein, 34, ist selbst elf Jahre als Fotograf zur See gefahren und organisiert jetzt für den deutschen Marktführer Photoservice Guernsey Ltd. die Einsätze anderer rund um die Welt.
taz: Fast jeder hat heute eine Kamera – braucht man noch Bordfotografen?
Christian Bierlein: Ja. Wenn es gut läuft, verkaufen wir etwa 50 Prozent der Fotos, das kommt immer auf die Aktionen drauf an. Wir sind auf Ausflügen dabei und fotografieren, wenn die Passagiere die Gangway herunterkommen oder wenn sie sich auf Madeira in diesen Korbschlitten den Berg heruntertragen lassen, um mal ein Beispiel zu nennen. Was auch gut geht, sind klassische Sachen wie am Tisch, bei der Gala oder wenn sie in Frack und Abendkleid dem Kapitän die Hand schütteln. Der Kapitän ist übrigens ein großes Zugpferd: Wenn der mit auf dem Bild ist, wird das sehr gerne genommen. Was wir den Leuten bieten können, sind Fotos von ihnen als Paar oder in Gruppen – da würde sonst ja immer jemand fehlen.
Kann man Ihre Arbeit mit der von Fleischhut vergleichen?
Nein, gar nicht. Damals war die Fotografie noch etwas Außergewöhnliches für die Leute, ein gesellschaftliches Ereignis, für das man sich auch etwas besonderes anzog. Früher ist man zum Fotografen gekommen, heute ist es anders herum.
Kommen nie Leute zu ihnen, die es gerade so wie in der alten Zeit haben wollen?
Doch, ganz vereinzelt gibt es das noch. Das sind vor allem ältere Leute, die sich in der Bibliothek im Ledersessel fotografieren lassen wollen oder an der Reling mit Sonnenuntergang. Die holen dafür auch das Galakleid raus. Auf amerikanischen Schiffen passiert so etwas viel häufiger. Dort wird auch viel in Studios fotografiert und die Leute stehen Schlange und schauen zu, was die anderen machen.
Woran liegt das?
Das ist wohl eine Frage der Mentalität. Die Amerikaner machen alles mit, die laufen nicht weg oder schimpfen, weil sie sich belästigt fühlen. Die sitzen einfach da oder nehmen die Frau in den Arm und lächeln. Ich vermute, dass viele Deutsche glauben, sie wären zum Kauf der Fotos verpflichtet und dass sie deshalb oft so abweisend reagieren. Die Amerikaner lassen das einfach mal machen und schauen es sich dann an. Wem‘s gefällt, der nimmt‘s und wem nicht, der lässt es sein.
Ist das eine stressige Arbeit?
Eigentlich schon. Es gibt kein Wochenende, die Passagiere steigen am Morgen aus und nachmittags kommen die nächsten an Bord. Aber ist es Arbeit, wenn ich eine Inselrundfahrt auf Bora Bora mache oder Vergnügen? Ich wusste nie, wie ich das beschreiben soll. Bilder muss man natürlich trotzdem immer bringen.
Interview: Eib