: „Die Qualität muss auch bei ‚Bio‘ stimmen“
GASTRONOMIE Ob Sterne-Restaurant, Mensa oder Imbissbude: Das Angebot an Bioqualität ist der Nachfrage dicht auf den Fersen
VON VOLKER ENGELS
Essen, das aus biologisch erzeugten Produkten hergestellt wird, gab es früher allenfalls in einigen ambitionierten Restaurants, die nicht selten den Charme abgehalfterter 60er-Jahre-Wohngemeinschaften versprühten. Das hat sich geändert: von der Currybude bis zur Spitzengastronomie reicht die Palette der Fresstempel, die ihre Kunden mit Essen in Bioqualität umgarnen.
Verlässliche Zahlen zum Anteil von Restaurants, die Biospeisen anbieten, liegen dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zwar nicht vor, einen deutlichen Trend benennt Sprecherin Stefanie Heckel aber dennoch: „Es gibt eine klare Entwicklung in Richtung natürliche und frische Produkte, die aus der Region kommen.“
Das Image von Bioessen habe sich in den vergangenen Jahren merklich gewandelt: „Grünes Denken und Glamour schließen sich nicht mehr aus.“ Die Verbraucher seien sensibler geworden und legten größeren Wert auf das Schnitzel, das vom Bauern aus der Region kommt“. Und das dürfe auch gerne in Bioqualität sein.
Lebensmittel aus ökologischem Anbau verarbeitet immer wieder auch Sternekoch Thomas Kammeier aus Berlin in seinem Restaurant „Hugos“. Allerdings reiche es nicht aus, „dass einfach nur ‚Bio‘ draufsteht, die Qualität muss auch stimmen. Ich kann mit Biomöhren, die nicht besser schmecken und aussehen als Möhren aus dem konventionellen Supermarkt, nur wenig anfangen“, sagt der mehrfach prämierte Koch. Es sei auch im Berliner Raum „nicht immer leicht, Produzenten zu finden, die kontinuierlich in ausreichender Menge und in hoher Qualität liefern“. Kammeier sucht das Besondere für seine Küche, und das darf dann „auch sehr gern in Bioqualität sein“. Die lieferbaren Mengen seien begrenzt, weil viele Produkte vor allem an Bioläden gingen. „Oft liegt es an Zufällen oder persönlichen Kontakten, um gute Produkte zu finden.“
Kürzlich gab es Biorinderfilets aus Mecklenburg-Vorpommern auf der Speisekarte des Spitzenkochs: „Die Resonanz der Gäste war sehr positiv – ich weiß allerdings nicht, ob es am Produkt oder an der Zubereitung lag“, berichtet er augenzwinkernd.
Wer seinen Geldbeutel beim Essengehen schonen will, kann inzwischen bundesweit auf eine Vielzahl preiswerter Alternativen zur Sterne-Küche zurückgreifen. Zahlreiche Firmenkantinen oder Mensen an den Unis haben ihre Angebote teilweise oder sogar ganz auf Bioprodukte umgestellt: Rund 1,1 Millionen Essen hat das Studentenwerk Oldenburg, das Mensen und Cafés in vier Städten betreibt, allein im Jahr 2008 in seinen sechs Mensen verkauft. Sukzessive ist das Bioangebot auf der Speisekarte in den vergangenen 20 Jahren gestiegen. „Fleisch von Schwein, Rind und Lamm beziehen wir ausnahmslos aus artgerechter Tierhaltung“, sagt Ted Thurner, stellvertretender Geschäftsführer des Studentenwerks, das alleine in seiner größten Mensa in Oldenburg bis zu 7.000 Essen täglich an den Mann und die Frau bringt.
Kartoffeln und Eier aus ökologischem Anbau stehen ebenso auf der Speisekarte wie Kaffee. Das Obst stammt zu einem guten Drittel aus Bioproduktion, weil die Norddeutschen großen Wert auf „regional erzeugte Produkte legen“. Es sei „nicht immer leicht, ausreichend ökologische Erzeuger in der Region zu finden“, so Thurner weiter. Zudem sei es besser, regional erzeugtes Obst zu nutzen, „als den Brokkoli in Bioqualität aus Australien einzufliegen“.
Die Umstellung auf zahlreiche Bioprodukte hat über die Jahre in Zusammenarbeit mit regionalen Produzenten stattgefunden: „Wir konnten in der Anfangsphase, als ‚Bio‘ noch nicht so verbreitet war, dem Erzeugern garantieren, dass wir ein langfristiger und verlässlicher Partner und Abnehmer der Produkte sind.“ Die meisten Erzeuger aus den Anfangstagen seien auch heute noch verlässliche Partner und Lieferanten.
Nicht allein die Qualität der Lebensmittel, sondern auch die Verarbeitung und Zubereitung spielt eine wichtige Rolle, will man die Mensagäste bei Laune halten: Eine eigene Konditorei sorgt für Frischgebackenes, das angelieferte Fleisch wird selbst zerlegt, Gemüse täglich und damit frisch verarbeitet. Große Widerstände aufseiten der Studierenden mussten nicht überwunden werden, so der stellvertretende Geschäftsführer, weil Asta und Fachschaften das Projekt unterstützt hätten. Und das, „obwohl die Fleischportionen aus Kostengründen etwas kleiner geworden sind“. Während es gelungen sei, auf der Speisekarte „Fisch anzubieten, der nicht aus überfischten Gewässern stammt“, sei die Versorgung mit Geflügel aus artgerechter Haltung jedoch nach wie vor schwierig: „Bei Geflügel ist die Preisdifferenz erheblich.“
Wer auf die schnelle Zwischenmahlzeit in Bioqualität zur Mittagszeit nicht verzichten will, findet auch jenseits des studentischen Mensa-Alltags ohne größere Probleme eine Currybude, die Würste oder Frikadellen von glücklichen Bioschweinen im Angebot hat: Seit dem Jahr 2001 betreibt Heinz Knickrehm in Hamburg seinen „Bio-Snack“. Vor allem auf Wochenmärkten und Straßenfesten der Hansestadt verkauft er Biowürste, Biopommes und hausgemachte vegetarische Gerichte. Sein Fleisch bezieht er von einem Biofleischer aus der Region, die restlichen Lebensmittel liefert ein Biogroßhandel.
„Viele Kunden kommen regelmäßig an meinen Stand, weil sie Wert auf Fleisch und Zutaten aus artgerechter oder biologischer Produktion bei der Ernährung legen und darauf auch bei der Currywurst nicht verzichten wollen.“ Weil die Lebensmittel frei von Geschmacksverstärkern, Glutamaten und Pökelsalzen seien, „kommen auch Allergiker an den Stand, die eine normale Wurst gar nicht essen dürfen“.