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Archiv-Artikel

Besetzen ist keine Kunst

Die alteingesessenen Künstler im Bethanien wehren sich gegen die Besetzer im Haus. Sie fürchten um den guten Ruf der Kreuzberger Kunstinstitutionen und kämpfen gegen „Übernahmeversuche“

von FELIX LEE

Eigentlich läuft für die Besetzer des Bethanien alles bestens: Das Bürgerbegehren ist angelaufen, die Bezirksverwaltung hat alle Privatisierungsverhandlungen auf Eis gelegt. Und das soziokulturelle Projekt der Besetzer und ihrer Unterstützer, der Initiative Zukunft Bethanien (IZB), wird im Kiez getragen von einer Welle der Sympathie. Selbst mit der angedrohten Räumung scheint es Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) nicht mehr eilig zu haben – obwohl sie die Räume bereits Gästen der Fußball-WM versprochen hat. Lediglich das miserable Verhältnis zu den unmittelbaren Nachbarn, den Künstlern im Bethanien, trübt die Stimmung.

Die hatten sich bereits Ende November in einem Schreiben an die Öffentlichkeit gewandt und gegen die Besetzung des Südflügels protestiert. Ihre Begründung: Die neuen Bewohner bedrohten den guten Ruf des gesamten Hauses.

Über Jahre hinweg hätten sie sich Konzepte zum weiteren Ausbaus des Bethanien überlegt, sagte ein empörter Christoph Tannert jetzt der taz. Frei werdende Räume sollten professionell arbeitenden Künstlern zur Verfügung gestellt werden, um das Profil des Gebäudes als „international renommierter Kunsteinrichtung“ zu schärfen, fordert der Geschäftsführer des Künstlerhauses und Initiator des Protestschreibens. Dies werde durch die Besetzer und ihre Unterstützer jedoch konterkariert. Tannert: „Die IZB erweckt den Eindruck, Fachkompetenz zu bündeln und im Namen der Nutzer des Bethanien zu sprechen. Wir verwehren uns gegen derartige Übernahmeversuche.“

Ganz unverhohlen spricht auch Mathias Mrowka, Leiter der Druckwerkstatt im Bethanien, von einem „höherwertigen Kunst- und Kulturverständnis“. Dieses sei mit jenem der Besetzer „nicht in Einklang zu bringen“. Auf einer Podiumsdiskussion am vergangenen Donnerstagabend erklärte er, dass er sich 30 Jahre Arbeit von einer „Betroffenheitskultur“ nicht kaputtmachen lasse. Auf die Frage eines Zuhörers, wie Mrowka es jahrzehntelang mit dem bis im vergangenen Jahr ansässigen Sozialamt in einem Gebäude ausgehalten habe, antwortete er: „Das Sozialamt war mir schon immer ein Dorn im Auge.“

Die überhebliche Antwort mag unter selbstherrlichen Künstlern gut ankommen. Bei den anwesenden Vertretern der IZB jedoch nicht. IZB-Sprecherin Simone Kypke äußerte sich enttäuscht darüber, dass Tannert und Mrowka nicht auf ihre Gesprächsangebote eingegangen seien. Ein weiterer Vertreter der IZB berichtete, dass er mit diversen Künstlern des Hauses und ausländischen Stipendiaten ins Gespräch gekommen sei. Jene hätten alles andere als Unverständnis für das Anliegen der Besetzer geäußert. Im Gegenteil: Die Besetzer gehörten doch zu Kreuzberg dazu.