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Archiv-Artikel

Berlin stopft zu wenige Löcher

Politiker streiten über den Solidarpakt Ost. Bauverband wirft dem Land Verschwendung von Steuermilliarden vor. Senat verteidigt sich: Wegen hoher Schulden seien kaum Investitionen möglich

von RICHARD ROTHER

Alle Jahre wieder streiten sich Bund und neue Länder, inklusive Berlin, über die Verwendung der Solidarpaktmittel. Und alle Jahre wieder wird den Ländern im Osten Deutschlands Verschwendung von Steuermitteln vorgeworfen: Statt zu investieren, stecken die Ostländer und Berlin die Mittel für den Aufbau Ost in den Konsum. So habe Berlin allein im Jahr 2004 Solidarpaktmittel in Höhe von 2 Milliarden Euro „völlig zweckentfremdet verwendet“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg, Axel Wunschel, gestern. Und in Brandenburg sei im selben Jahr rund eine halbe Milliarde Euro in den Konsum statt in Investitionen geflossen.

Konkrete Zahlen hat der Bund bislang noch nicht vorgelegt. Medienberichte, nach denen insgesamt 5,7 Milliarden Euro im Jahr 2004 zweckentfremdet verwendet worden seien, wollte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums gestern nicht kommentieren. Die Stellungnahme der Bundesregierung zu den so genannten Fortschrittsberichten der neuen Länder sei vertraulich und werde erst Mitte Februar im Finanzplanungsrat diskutiert. Insgesamt sind im Jahr 2004 rund 10,5 Milliarden Euro Solidarpaktmittel geflossen.

Mit diesem Geld soll der wirtschaftliche Nachholbedarf in den neuen Ländern ausgeglichen werden. Rechtlich sind diese Mittel aber nicht zweckgebunden.

Darauf verweist auch der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SDP). Sein Sprecher Matthias Kolbeck sagt, die Bewertung werde nach Schema F vorgenommen. „Demnach sind investive Ausgaben gut und konsumtive schlecht.“ Das mache für Berlin keinen Sinn. „Berlin braucht nicht noch mehr Beton.“ Angesichts der extrem kritischen Haushaltsnotlage müsse Berlin auch die Investitionen kürzen. Andernfalls würde die Neuverschuldung steigen. Schließlich spare Berlin im Ausgabenbereich, etwa beim Personal, bundesweit einmalig.

Verständnis für Berlin und die Ostländer äußert auch der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Karl Brenke: „Die Länder würden gern investieren, wenn sie dafür das nötige Geld hätten.“ Zudem sollten manche konsumtive Ausgaben, etwa im Bildungsbereich, als Investitionen bewertet werden. „Es bringt nichts, in den neuen Ländern die Spaßbaddichte weiter zu erhöhen.“ Berlin sei in einer besonders schwierigen Situation, hier gehe das Sparen ans Eingemachte. „Das Unterlassen von Substanzerhaltungen ist auf Dauer teuer.“

In die gleiche Kerbe schlägt der Grünen-Finanzexperte im Abgeordnetenhaus, Jochen Esser. Der rot-rote Senat investiere zu wenig in die Zukunft der Stadt. Zwar schränkten die Haushaltsnotlage und die hohen Zinszahlungen den Handlungsspielraum stark ein. Der Finanzsenator handle jedoch völlig verantwortungslos, wenn er deshalb „die Infrastruktur kaputtspart“.

Unterlassene Investitionen seien die teuerste Form der Neuverschuldung. Richtig verwendet könnten Investitionen sogar helfen, die Ausgaben des Landes dauerhaft zu senken, etwa durch eine konsequente energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude. Dies würde Arbeitsplätze im Handwerk sichern und die Energiekosten des Landes senken. „Den Beitrag zum Klimaschutz gibt es dann noch oben drauf.“