Der Gläubige

BURHAN QURBANI stellt als erster Regiestudent seit 1984 seinen Abschlussfilm im Berlinale-Wettbewerb vor

Ein junger Mann sitzt im Freiluftkino. Es regnet. Er ist der einzige Gast. Auf der Leinwand läuft „Batman Begins“. Als der treue Butler Alfred zu Bruce Wayne sagt: „Warum fallen wir? Damit wir lernen, uns wieder aufzurichten“, hellt sich die Miene des Mannes auf. Die Regenwolken verziehen sich.

Ein filmreifer Anfang für die Geschichte des Regiestudenten Burhan Qurbani – und noch nicht mal erfunden (bis auf die Wolken vielleicht). „Das war der Punkt, von dem aus es langsam wieder aufwärtsging“, sagt Qurbani heute, drei Jahre später und eine gute Woche vor seiner Diplomprüfung. „Nach dem zweiten Jahr in Ludwigsburg habe ich gedacht: Ich bin berufen zum Filmemachen; nach dem dritten habe ich gedacht: vielleicht doch nicht“, erzählt der 29-Jährige.

Schnitt. Drei Jahre später: Der junge Mann im Blitzlichtgewitter, keiner erkennt ihn. Der Produzent muss den Fotografen erst ein Codewort zurufen, bevor manche begreifen. Es lautet: „Shahada“. Das ist der Titel des islamischen Glaubensbekenntnisses – und des Debütspielfilms von Qurbani, der die Geschichten von drei jungen Muslimen während des Ramadans verknüpft und heute auf der Berlinale Premiere feiert. Im Wettbewerb. Als erster Abschlussfilm seit 1984.

„Mein Team und ich haben uns ständig umarmt, nicht fassen können, dass wir gerade über den roten Teppich laufen“, sagt Qurbani. Die Aufregung darüber merkt man Qurbani nur an, wenn er immer wieder hypersensibel auf seinen Gesprächspartner reagiert: „Sag, wenn ich mich verplapper.“ Die Sorge ist völlig unbegründet. Qurbani ist ein höflicher, reflektierter, humorvoller Typ und ein mitreißender Geschichtenerzähler. Ebenso unbegründet ist die Sorge, der Erfolg könnte ihm zu Kopf steigen. „Ich weiß, mit welcher Demut ich in diesem Wettbewerb unter all diesen großen Kollegen stehe“, sagt er.

Der in einem katholischen Westerwalddorf aufgewachsene Sohn afghanischer Eltern ist praktizierender Muslim, „wenn auch mit Sicherheit kein perfekter. Natürlich habe ich mit Sekt auf die Berlinale angestoßen und ich hatte auch Sex vor der Ehe, kürzlich. War ganz gut eigentlich, aber vielleicht wird es ja noch besser, wenn man verheiratet ist.“ Er betet regelmäßig – nicht fünfmal am Tag und nicht in der Moschee, sondern alleine.

Weil er mit „Shahada“ etwas verändern will, den seiner Meinung nach von Vorurteilen verstellten Blick vieler Nichtmuslime auf den Islam nämlich, ist es ein politischer Film. „Eine der wichtigsten Aussagen ist für mich, dass der Koran ein Buch über die Liebe ist“, sagt er. Missionieren wolle er aber nicht. „Das größte Lob für mich als Filmemacher wäre, wenn die Leute aus dem Kino rauskommen und zum Beispiel einmal kurz den Wikipedia-Artikel über den Islam lesen.“ Qurbani will sich nicht auf Islamthemen reduzieren lassen, doch „der Konflikt, zwischen zwei Welten zu stehen“, werde immer eine Rolle spielen. Im Presseheft zitiert er den Juden Ephraim Kishon: „Es ist schwer, aufgeklärt zu sein und trotzdem zu glauben.“ Qurbani versucht sein Bestes. DAVID DENK