: Das Blau im Gesicht
Dank Tabaksteuer: Industriezigaretten von Lucky Strike bis Gauloises Blondes gibt es jetzt zum Selberdrehen
Die Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter. Und raucht und raucht und raucht beziehungsweise dreht zunächst. Der Verbrauch von Feinschnitttabak zum Selberdrehen ist im letzten Jahr um 37 Prozent gestiegen.
Nachdem infolge der massiven Tabaksteuererhöhungen innerhalb von nur anderthalb Jahren der Preis für Fabrikzigaretten in groteske Höhen geschossen war, hatten sich zunächst viele Konsumenten mit so genannten Steckzigaretten beholfen – einem Steuerschlupfloch, das aller Voraussicht nach zum 31. 3. 2006 gestopft wird: Der Europäische Gerichtshof hatte im November letzten Jahres die Bundesregierung dazu verurteilt, die „Sticks“ künftig wie normale Zigaretten zu besteuern.
Es nützt alles nichts, das lange verpönte Selberdrehen kommt wieder, denn die Steuerbegünstigung für Feinschnitttabake bleibt erhalten. Die Tabakindustrie stellt sich darauf ein. Mit dem Slogan „Wiederdrehen macht Freude“ wirbt die bislang ausschließlich für ihre Fabrikzigaretten bekannte Marke Lucky Strike für ihren neuen Drehtabak – ein zunächst ungewohnter Anblick, der jedoch eingefleischten „Filterkippen“-Rauchern den Umstieg zum krümeligen Drehen erleichtert. Wer schon auf das Klicken der Münzen im Automaten, das lustvolle Aufreißen der Schachtel, den legeren Griff zur Zigarette verzichten muss, möchte wenigstens sein gewohntes Label – meist Teil sowohl der Außendarstellung als auch der Selbstwahrnehmung – behalten. Selberdrehen wird auf diesem Weg anschlussfähig für all jene, denen diese Technik bislang als démodée galt, als ästhetische Ausdrucksform der Siebziger- und Achtzigerjahre, als man noch mit dem Javanse-Jongens-Beutel in der Hosentasche der Röhren-Jeans zum BAP-Konzert ging. Verdamp lang her.
Doch nun gilt es, den Rat der Altvorderen einzuholen. Wie geht das genau mit dem Drehen? Und was hilft gegen die gelben Finger? (Zitronensaft!) Generationsübergreifend steht man zusammen in zugigen „Raucherecken“ und grauen, kalten Treppenhäusern – den modernen Rückzugsorten der ehemals coolen Raucher, denen im Rahmen des dominanten Gesundheitsdiskurses derzeit die Rache der ehemals als langweilig gescholtenen gewiss ist – und tauscht sich aus.
In den Neunzigerjahren sozialisierte Raucher wechseln nun zu den Tabakbeutel-Angeboten ihrer bewährten Marken Gauloises Blondes oder Nil. Flexible Menschen, die auch ohne Warnhinweise wissen, dass das Leben in den allermeisten Fällen tödlich endet. MRE