: Die zweite Jahrhundertflut – das wird teuer
HOCHWASSER Noch bevor die Katastrophe vorbei ist, wird über die Höhe der Schäden spekuliert
DRESDEN/GÖTTINGEN taz | Während Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt noch mit dem Hochwasser kämpfen, wird bereits über die Begleichung der Schäden diskutiert. Ulrich Maly, Präsident des Deutschen Städtetages, hält die 100 Millionen Euro Soforthilfe des Bundes für wichtig, aber nicht ausreichend. „Deshalb wird sicher, wenn das ganze Ausmaß sichtbar wird, über weitere Hilfen gesprochen“, sagte er. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) versprach am Donnerstag denn auch weitere Hilfen des Bundes.
Aus dem sächsischen Wiederaufbaustab wurde inzwischen eine erste Schadensprognose von 2,5 Milliarden Euro bekannt. Der Versicherer R+V rechnet sogar mit höheren Kosten als bei der Jahrhundertflut von 2002. Seit Donnerstag zahlt Sachsen die zugesagte Soforthilfe aus. Pro Familie gibt es maximal 2.000 Euro.
Früher als erwartet hat am Donnerstag der Scheitel des Elbehochwassers Dresden erreicht. Mit 8,76 Meter blieb der Maximalpegel aber 64 Zentimeter unter der Rekordmarke von 2002. Während in den Vororten das Wasser teils Hunderte Meter in Wohngegenden vorgedrungen ist, hielten mobile Schutzwände die historische Innenstadt trocken.
Das sächsische Landeshochwasserzentrum geht aber davon aus, dass der Pegel nur langsam sinkt. So ist der Kurort Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz ebenso wie das bayerische Deggendorf weiterhin über Straßen nicht mehr erreichbar. Ungehindert hat die Elbe auch die gesamte Meißner Altstadt überflutet. Elbabwärts wird durch die starke Wasserführung von Zuflüssen wie Mulde, Elster oder Saale mit einem Rekordhochwasser gerechnet. Magdeburg bereitet sich auf Pegel vor, die über denen von 2002 liegen. Ähnlich kalkulieren Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Ein besonderes Problem bereitet ein Dammbruch an einem Nachbarsee des Tagebaurestloches Goitsche, dessen drohendes Überlaufen Bitterfeld verwüsten könnte. Um eine dritte Entlastungssprengung ist dort ein Konflikt mit dem benachbarten Landkreis Nordsachsen ausgebrochen, der eine Sprengung ablehnt. In Sachsen fahndet die Polizei unterdessen nach Saboteuren, die an einzelnen Stellen Schrauben mobiler Flutschutzwände gelöst haben.
Am Atomkraftwerk Krümmel südöstlich von Hamburg soll die Elbe Anfang der kommenden Woche ihren Höchststand erreichen – Pegelstände von weit über acht oder sogar neun Metern werden erwartet. Ab einem Niveau von 7,80 Meter sollen die Fluttore des AKW geschlossen werden. Steigt das Wasser auf 8,20 Meter, will die Betriebsmannschaft mobile Schutzwände hochfahren, um die Anlage abzuschotten. Die Sicherheit des Kraftwerks habe bereits beim Hochwasser in den Jahren 2002 und 2009 unter Beweis gestellt werden können – damals war der Pegel allerdings „nur“ auf 6,50 Meter beziehungsweise 7 Meter gestiegen.
Das AKW Krümmel ist derzeit im sogenannten Stilllegungsbetrieb. Im Abklingbecken und im kraftwerkseigenen Zwischenlager befinden sich Hunderte verbrauchter Brennelemente.
MICHAEL BARTSCH, REIMAR PAUL
Gesellschaft + Kultur SEITE 14