: Doch fünf Millionen
VON COSIMA SCHMITT
Das Ritual ist erprobt: Die Statistiker verkünden, dass die Zahl der Erwerbslosen nun doch höher ist als erwartet. Prompt überbieten sich Bundesregierung wie Bundesagentur (BA) in Erklärungen, warum der Anstieg im Grunde gar kein Anstieg sei. Und ebenso reflexhaft geißeln Gewerkschaften die aktuelle Politik.
Fest steht, dass die Arbeitslosenzahl im Januar über die Fünf-Millionen-Marke kletterte. Damit hatte selbst die BA nicht gerechnet. Noch zum Jahresbeginn sagte BA-Vorstand Heinrich Alt: Die Wahrscheinlichkeit, dass in diesem Jahr fünf Millionen Arbeitslose erreicht würden, liege weit unter 50 Prozent. Doch Alt irrte. Insgesamt waren im Januar 5,012 Millionen Menschen als arbeitslos registriert – 408 000 mehr als im Dezember.
So mühte sich gestern BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise sogleich um Schadensbegrenzung. Zwar habe sich die Arbeitslosigkeit in der Tat unerwartet schlecht entwickelt. „Der Trend bleibt aber weiter positiv“, sagte er. Für den Anstieg machte er vor allem Kälte, Eis und Schnee verantwortlich. Weil November und Dezember eher mild waren, habe sich die übliche Winterarbeitslosigkeit stärker in den Januar verlagert.
In der Tat zeigt der Blick aufs Vorjahr, dass zu viel Panik über den erneuten Anstieg verfrüht ist. Der Januar ist traditionell der Monat mit den besonders düsteren Arbeitslosenstatistiken. Vergleicht man die aktuelle Statistik mit der des Jahres 2005, dann ist die Zahl der Arbeitslosen in zwölf Bundesländern gesunken. Nur Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg weisen in diesem Januar schlechtere Werte als vor zwölf Monaten auf. Insgesamt waren rund 75.000 weniger arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr. Die regionalen Unterschiede allerdings bleiben enorm: Baden-Württemberg hat eine Arbeitslosenquote von nur 7,2 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern hingegen 21,2 Prozent.
Überdies wartet die BA noch mit einer anderen Erklärung für die unerwartet schlechte Statistik auf: Laut Weise meldeten sich im Januar etwa 30.000 Arbeitnehmer ab 45 Jahren mehr arbeitslos als sonst üblich. Die BA interpretiert das als Folge einer Umstellung: Die Menschen melden sich noch schnell vor dem Stichtag arbeitslos, um von den längeren Bezugszeiten beim Arbeitslosengeld I zu profitieren. Denn ab 1. Februar tritt eine Reform in Kraft. Die Zahldauer wird grundsätzlich auf zwölf Monate beschränkt. Über 55-Jährige bekommen höchstens noch 18 Monate statt bislang bis zu 32 Monate Arbeitslosengeld.
Die Gewerkschaften indes werten die neue Statistik als Ergebnis verfehlter Regierungspolitik. „Das ist die Bilanz eines Misserfolgs“, sagte Ver.di-Chef Frank Bsirske. Müntefering hingegen verwies darauf, dass die Zahl der offenen Stellen deutlich höher sei als vor einem Jahr. „Insgesamt haben wir eine rückläufige Tendenz der Arbeitslosigkeit in Deutschland“, sagte der SPD-Politiker.
Die jüngsten Statistiken offenbaren aber auch, dass ein bedenklicher Trend bislang ungebremst ist: Im November gab es 0,4 Prozent weniger sozialversicherungspflichtige Jobs als im Vorjahr. Gerade ihre Zahl aber gilt als Indikator, ob sich der Arbeitsmarkt – abseits von Ein-Euro-Jobs und ähnlichen Kompromissen – wirklich erholt.