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Archiv-Artikel

Sehr, sehr, sehr stolze Verlierer

FUSSBALL Bei der EM in Israel kassiert die deutsche U21 eine Last-Minute-Niederlage gegen Holland

AUS PETACH TIKVA STEFAN OSTERHAUS

Manchmal verleiht ein Fußballspiel seinen Helden sonderbare Kräfte. Lewis Holtby, der Kapitän der deutschen U21-Nationalmannschaft, wirkte in der Nacht zum Freitag trotz der 2:3-Niederlage gegen die Niederländer wie beflügelt von den Ereignissen im ersten Spiel der Deutschen bei der Europameisterschaft in Israel. Dass ihm die Uefa den Titel des besten Spielers zuerkannte, das war ihm reichlich egal, es gab auch keinen gläsernen Pokal, der sich allenfalls als Briefbeschwerer zweckentfremden ließe. Denn Holtby ordnete die Geschehnisse bereits in fußballhistorische Dimensionen ein: „Für jeden jungen Mann, der heute auf dem Platz stand, war es eine Erfahrung, die müssen wir so nehmen. Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert in der Fußballgeschichte.“

Holtby meinte die Niederlage in letzter Minute durch einen Kopfball von Leroy Fehr. Schnell hatte er sich gefangen, er, der Kapitän, der in der zweiten Hälfte wie entfesselt aufspielte. Und mit ihm das gesamte Team, dessen Auftritt dafür sorgte, dass die EM ein erstes erinnerungswürdiges Match hat. Zwar verloren die Deutschen gegen den Turnierfavoriten, doch der kuriose Verlauf, die zwei vollkommen unterschiedlichen Halbzeiten, er machte den Trainer Rainer Adrion zunächst sprachlos, dann aber hoffnungsvoll.

Schnell und kombinationssicher waren die Holländer, bei denen kaum ein Spieler noch nicht in der A-Nationalmannschaft aufgelaufen ist, den Deutschen gegenübergetreten. Das 2:0 zur Pause durch Tore von Adam Maher und Georginio Wijnaldum drückte die Überlegenheit nur ungenügend aus. Auch Bernd Leno, der Keeper, der ein paar gute Paraden hatte, blieb nicht fehlerfrei, und als die Deutschen in die Kabine gingen, glaubten nicht wenige an ein Debakel. Laut Tony Jantschke wurde Adrion bei seiner Halbzeitansprache dann etwas lauter – und traf damit offenbar den richtigen Ton.

Denn nun waren es die Deutschen, die die Niederländer dominierten. Hoffenheims Kevin Volland war schon kurz vor der Pause für Mlapa ausgetauscht worden, der nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war. Mit ihm begann der Aufschwung. Zunächst erzielte Sebastian Rudy den Anschlusstreffer per Foulelfmeter (47.), nachdem der tatsächlich überragende Holtby von Keeper Jeroen Zoet gefoult worden war. Dann traf Holtby (81.) selber zum Ausgleich, ehe die Mannschaft der Verlockung erlag, noch die Führung zu erzielen. Doch die Niederländer, zweifellos abgeklärter, nutzten den Übermut aus, kamen zu einem Eckball und erzielten den Siegtreffer.

Am Sonntag wartet mit Spanien ein weiterer Favorit auf die Deutschen, und es ist gar nicht ausgeschlossen, dass die Reise nach Jerusalem, die Hertha-Stürmer Pierre-Michel Lassoga und Holtby dem Anhang in Aussicht stellten, schon in der kommenden Woche am Strand von Tel Aviv ein Ende findet. So lag es am Kapitän, vor dem kommenden Match noch einmal die richtigen Worte zu finden. Er, der einzige im Team, der Erfahrung als A-Nationalspieler hat, der Auslandsprofi von Tottenham Hotspur. Und so sagte Holtby: „Wir können sehr, sehr, sehr stolz sein auf das, was wir gezeigt haben. Gegen die vermeintliche A-Nationalmannschaft, die zu den Favoriten der WM 2014 gehört. Ich würde die gerne mal sehen gegen unsere A-Nationalmannschaft.“