: Getanzte Ball-Reflektionen
Was Fußball mit Tanz verbindet: Real Madrid hat ein „weißes Ballett“, Bremen bald ein HipHop-WM-Projekt. Ausgestattet mit allen wünschenswerten Adjektiven: Bewegungslustig, innovativ und integrativ
Kaum ist die 25 Millionen Euro schwere WM-Eröffnungs-Show im Berliner Olympia-Stadion abgesagt, schon springt Bremen in die Bresche: Mit dem ambitionierten Projekt „Fußball goes HipHop“. Es soll beweisen, dass Sport und Kultur sehr wohl eine fruchtbare Symbiose eingehen können. Während Joseph Blatter, Präsident des Welt-Fußballverband FIFA, erklärt, „sportliche Belange hätten den Vorrang“ und dürften nicht durch Rasen-Abnutzung per Kulturevent in Mitleidenschaft gezogen werden, betonte Rolf Hammes gestern bei einer Pressekonferenz im Weser-Stadion: „Wir finden, dass das sehr gut zusammenpasst.“
Zwar erschienen Fußball und zeitgenössischer Tanz zunächst „als klassische Antagonisten“, zumal in den Leidenschaften Jugendlicher, „die sich entweder in der einen oder andern Welt“ bewegten. Letztlich aber gelte: „Beide bedienen die Sehnsucht von Akteuren und Zuschauern nach Emotion.“ Hammes, im Normalfall künstlerischer Leiter des im Kulturzentrum Lagerhaus angesiedelten „Tanzwerks“, ist als Projektleiter sozusagen der (in Berlin ausgeladene) André Heller von Bremen. Mit einem Etat von fast 90.000 Euro, gefördert maßgeblich von der „Aktion Mensch“, übersteigt das Projekt in der Tat die üblichen Tanzwerk-Dimensionen bei weitem. Ziel ist ein großes Bühnenstück mit etwa 20 TeilnehmerInnen, das im Herbst Premiere haben soll und anschließend, unterstützt durch die Bremen im Rahmen des bundesweiten „Tanzplans“ zugestandenen Mittel, durch Norddeutschland touren soll.
Zunächst aber werden noch Jugendliche gesucht, die sich an der Tanztheaterperformance beteiligen und dafür auch ziemlich viel Zeit investieren – unter anderem den größten Teil der Sommerferien. Choreograf Arton Veliu, Weltmeister im HipHop und Regisseur des im Oslebshauser Bürgerhaus entwickelten Bühnenshow „Silent Battle“, macht eine klare Ansage: „Es ist ’ne ganze Menge, was die Kids lernen müssen: Tanzen, Fußball – und zuerst mal Disziplin.“
Als „Pate für den fußballerischen Part“ steht Werder Bremens früherer Torwart Karsten Huning zur Verfügung, der – das ist nicht zu unterschätzen! – immerhin schon sieben Mal als dritter Torwart bei Europa-Pokalspielen auf der Bank gesessen hat.
Die im Raum stehende spannende ästhetische Frage heißt: Lösen sich die teilnehmenden Jugendlichen von den üblichen Bewegungsmustern aus Break, Techno, Robot oder Hiphop, die – zumindest für Jungs – oft das einzig denkbare tänzerische Bewegungspotential darstellen? Dafür, dass Neues ausprobiert wird, könnte der Plot sorgen – an dem Thorsten Wilrodt, derzeit Leiter der Moks-Theaterschule „Junge Akteure“, gerade schreibt. Im Mittelpunkt stehe keineswegs, was man alles Tolles mit dem Ball machen kann“, sondern eine kritische Analyse des Stellenwerts von Fußball im Leben der Menschen. Konkret: Am Anfang ist ein kleiner Junge, der unter anderem über die Frage „Was ist ein Ball?“ reflektiert.
Mit im Boot ist auch der Bremer Behindertensport-Verband, dessen zweiter Vorsitzender Reinhard Lutz sich einen „Schub“ für seinen Sport wünscht. Bisher nämlich laufe in Bremen Rollstuhl-Tanz „überhaupt nicht“ und selbst das spektakuläre Sledgehockey erreiche nicht die verdiente öffentliche Aufmerksamkeit. Da böte die WM vielleicht andere Chancen. HB
An der (kostenlosen) Teilnahme Interessierte (ab 14 Jahre alt, mit und ohne „Behinderung“) können sich bei Rolf Hammes unter ☎ (0421) 762 28 informieren