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Archiv-Artikel

ES GIBT KEINE PFLICHT, SICH ZU DEUTSCHLAND ZU BEKENNEN Der Staat, zur Religion verklärt

Verpflichtende Sprachkurse, Mindestalter für nachziehende Eheleute, Deutsch auf dem Schulhof, Einbürgerungsfeier, Gesinnungstest. Und nun auch noch eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Staatsbürgerkursen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendjemand mit einer neuen originellen Idee aufwartet, wie die Integration von Ausländern und deren mögliche Einbürgerung gestaltet werden sollte. Einzeln betrachtet, lassen sich für viele dieser Vorschläge – wenn auch nicht für alle – gute Argumente ins Feld führen. In der Gesamtschau drängt sich allmählich der Eindruck auf, es gehe bei der Debatte nicht um Aufenthaltsrecht und Staatsbürgerschaft, sondern um den Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft.

Lyrisch wurde der nordrhein-westfälische Familienminister Armin Laschet jetzt in einem Zeitungsinterview. Jede Einbürgerung sei ein Erfolg, weil wir feiern könnten, dass sich jemand zu Deutschland bekenne. „Dann muss die deutsche Gesellschaft aber auch zeigen: Wir freuen uns, dass Sie Ja gesagt haben, Sie sind uns willkommen.“ Was für ein Kitsch. Als ob es nicht ganz viele Deutsche gäbe, über die man sich nicht freut. Unabhängig davon, wie gut sie die Landessprache sprechen und ob sie schon immer hier gelebt haben oder nicht.

Ein deutscher Pass ist eine feine Sache. Noch immer ist die soziale Absicherung hier sehr viel besser als andernorts. Wer ein Visum braucht, tut sich leichter als ein Syrer oder eine Kongolesin. Auf diplomatischen Schutz dürfen Deutsche mehr vertrauen als die Bevölkerung vieler anderer Staaten. Und, ja: Es ist ein großes Privileg, in einem demokratischen Rechtsstaat leben zu können.

Alle Deutschen – egal, seit wann sie Deutsche sind – müssen die Gesetze befolgen, zu denen auch die Verfassung gehört. Den Staat und ihre Landsleute lieben müssen sie nicht. Das gilt auch für ehemalige Ausländer. Es gibt keinen Grundgesetzartikel, der dazu verpflichtet, sich als Teil einer Werte-und Glaubensgemeinschaft zu fühlen. Oder sich zu Deutschland zu bekennen. Etwas mehr Nüchternheit bekäme der Debatte gut. Das entspräche dem Geist des Grundgesetzes. BETTINA GAUS