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Archiv-Artikel

Denn sie wollen nicht wissen, was sie tun

EINSAMKEIT„Eine flexible Frau“ (Forum) ist ein Porträt von hippen Großstadtverlierern und der konservativen Emanzipation der weiblichen Mittelschicht

Ihr Kind geht ihr schon lange vor allem auf die Nerven. Empathie liegt ihr nicht

Mann, sehen die gut aus, die neuen Frauen aus Berlin. Gut gemachtes Achtzigerjahredesign, geschmeidige Körper, cooles Auftreten. Sie trinken zu viel Alkohol, aber nun gut, dran bleiben hat seinen Preis.

„Eine flexible Frau“ ist Tatjana Turanskyjs erster Spielfilm, und er hat viel mit Helke Sanders gleichfalls auf der Berlinale laufendem Klassiker „Die allseits reduzierte Persönlichkeit“ (1978) zu tun. Beide Dokufictions drehen sich um den Alltag einer getrennt lebenden Mutter in Berlin. Beide arbeiten mit LaiendarstellerInnen und sezieren das Selbstverständnis von Frauen, die aus dem Rahmen fallen. Beide sind in ihrer Bestandsaufnahme gnadenlos.

Das größte Problem von Helke Sanders Heldin Edda Chiemnyjewski ist, nicht allein auf das Mutterdasein festgelegt werden zu wollen. Sie will trotz ihres Sohnes weiter ihre Kunstprojekte vorantreiben und überhaupt auch als Fotografin ernst genommen werden. Der Preis für diese Ambition ist hoch, die Gesellschaft ist in den späten Siebzigern an Alleinerziehende nicht gewöhnt, und schon gar nicht an Alleinerziehende mit Anspruch. Am Ende bleiben jedenfalls immer nur die Freundinnen als Unterstützung.

Gut dreißig Jahre später sind Mütter ohne Männer zumindest in den Innenstadtbereichen normal geworden. Jetzt sind der Jobmarkt und das Halten von Freundschaften die größten Probleme. Zumal, wenn man keinen Job hat. Turanskyjs Heldin Greta ist Architektin, seit Neuestem arbeitslose Architektin. Zunächst gefällt sie sich noch in der Pose der Rebellin. Erst nach und nach bemerkt sie, wie sich ihre Verbindungen nach der Trennung auflösen, wie die Einsamkeit in ihr Leben kriecht. Greta verlegt sich aufs Kampftrinken. Ihre etablierten Freunde reagieren mit schweigendem Ekel. Ohne Partner zu sein, das geht noch in Ordnung. Aber den Job zu verlieren, das ist in diesen Kreisen nicht erlaubt.

Es ist ihr pubertierender Sohn, der die allgemeine Verachtung für karrierelose Mittelstandsmenschen irgendwann offen ausspricht. Gretas Verständnis für ihn hält sich in Grenzen, ihr Kind geht ihr schon lange vor allem auf die Nerven. Empathie liegt ihr nicht.

„Eine flexible Frau“ ist ein wenig gutartiges Porträt von hippen Großstadtverlierern. Scheinbar im Vorübergehen und mit HD wird die konservative Emanzipation der weiblichen Mittelschicht dokumentiert. Das ist nicht schön anzusehen, aber durchaus sehenswert.

Offenbar unbeirrt bleibt die Regisseurin damit einer Thematik treu, die auch das unter anderem von ihr mitbegründete Filmkollektiv hangover.ltd beschäftigte. Deren letzter Film „korleput“ (2007) sezierte Karrierefrauen, die sich ihr Wochenende mit bezahlten Lovern vertreiben. Und wie Greta M. wirklich nicht wissen wollen, was sie tun. INES KAPPERT

■ Heute, 20 Uhr, Arsenal 1; 20. 2., 16.30 Uhr, Delphi; 21. 2., 20 Uhr, Colosseum