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Archiv-Artikel

Eisbrecher namens Lothar

Lutz Heilmann – ein Stasi-belasteter Linkspartei-Abgeordneter – steht in Schleswig-Holstein der Fusion mit der WASG im Weg. Linksparteichef Bisky versucht in Kiel die Fronten aufzulösen

VON ESTHER GEISSLINGER

Vor dem Versammlungsraum steht ein dicker Mann, der sagt, er sei Arbeiter und sage es, wie es sei: „Die da oben sind alle Verbrecher. Und die hier sollen sich zusammenschließen, die sollen ein Bollwerk bilden.“ Eben darum geht es im Saal – drei Stunden lang und ein bisschen differenzierter. Die Linkspartei Schleswig-Holstein hat zum Dialog der Parteien geladen. Auf dem Podium sitzen der Bundesvorsitzende Lothar Bisky und Björn Radke, beratendes Vorstandsmitglied der WASG Schleswig-Holstein. Die Fusion der zwei Parteien im Land gestaltet sich als schwierig – „Mischen impossible?“, kalauert die Zeitung der Linkspartei.

Offenbar ja: Vor Beginn der Veranstaltung verteilten WASG-Mitglieder Zettel: „Lothar und Björn – muss das jetzt sein?“ Denn der WASG-Landesvorstand hatte beschlossen, Gespräche mit der PDS-Nachfolgerin auszusetzen, bis „diese ihre internen Auseinandersetzungen gelöst hat“, heißt es auf dem Flugblatt. Trotzdem ist der Saal voll. Mitglieder beider Parteien sitzen in den Reihen und auch einige, die sich stolz zur Doppelmitgliedschaft bekennen.

Mit „interner Auseinandersetzung“ ist vor allem der Fall Lutz Heilmann gemeint. Der Linkspartei-Kandidat der gemeinsamen Liste sitzt heute im Bundestag. Teile beider Parteien werfen ihm vor, dass er seine Biographie nicht offen gelegt habe: Heilmann hat in der DDR als Personenschützer gearbeitet und war damit Stasi-Angestellter. Seine Kritiker stört, dass er das vor der Wahl nicht gesagt habe und zu lange mit einer Entschuldigung zögerte, als der Fall bekannt wurde. Die Frage Heilmann schwebt über der Versammlung, irgendwann wird sie auch offen gestellt. Bisky gibt den Schwarzen Peter zurück: Es sei „kritikwürdig“, dass Heilmann den Stasi-Dienst verschwiegen habe, aber die Partei habe die Kandidatur für „machbar“ gehalten, der Rest müsse im Land geregelt werden. Nächstes Thema, die Rednerliste ist lang. Und viele finden es übertrieben, sich immer noch mit Heilmann zu beschäftigen.

„Aber das Problem wurde nie gelöst“, sagt Stefan Rudau, Schatzmeister der Linkspartei und Gegner von Heilmann. „Wenn es mal offen diskutiert werden würde, wäre es ja gut.“ Zwar hatte bereits ein Linksparteitag das Thema debattiert, aber für viele ist es nicht ausgestanden. Auch Angelika Hannappel, die für den WASG-Vorstand kandidiert, ist nicht ganz zufrieden: „Ich hätte mir gewünscht, dass es mehr um das Konkrete geht, um die Fusion, wie es nun weitergeht.“ Ein WASG-Vorstand beschwert sich über die bisherigen Verhandlungen: „Wir wurden behandelt wie die Ein-Euro-Jobber der Linkspartei – keine Rede von Gesprächen auf Augenhöhe.“

Doch dass die Fusion kommen muss, darin sind sich Bisky und Radke einig: „Man muss alles ausdiskutieren, aber wir dürfen es nicht auf die lange Bank schieben, sonst ist die Luft raus“, warnt Bisky. „Wir allein schaffen es nicht“, erklärt Radke. „Wir dürfen nicht bis zum St. Nimmerleinstag warten.“ Schließlich drängen die Probleme: Hartz IV, drohende und laufende Kriege, Heuschreckendebatten, die Ausgrenzung von großen Teilen der Bevölkerung – Themen, die Linkspartei und WASG sehr ähnlich bewerten. „Wir wollen inhaltliche Debatten“, sagt Radke, und Bisky berichtet von der guten Zusammenarbeit der gemischten Fraktion im Bundestag: „Wir vertreten klare Positionen.“

Und es besteht auch Hoffnung für die Fusion: In Kiel, berichtet eine Frau aus dem Ortsverein, arbeiteten die Parteien bereits zusammen. Schatzmeister Rudau hofft nun auf den Parteitag der Linkspartei am Wochenende, bei dem die heutige Vorsitzende Edda Lechner nicht mehr antritt: „Da müssen wir den Neuanfang hinbekommen.“