: Ungerade Fünfe
Bewährungsstrafe für Kapitän des gesunkenen Säuretankers Ena 2. Amtsgericht fordert Überarbeitung der Sicherheitsrichtlinien im Hafen
Von Elke Spanner
Konsequenzen, sagte Amtsrichter Wolfgang Schaake gestern, seien im Hafen zu ziehen, nicht im Gericht. Die Kollision zwischen dem Tankschiff Ena 2 und dem Containerfrachter Pudong Senator im Juni 2004, bei der 959 Tonnen Schwefelsäure in die Elbe ausliefen, sollte Anlass genug sein, die Verkehrslenkung auf Hamburgs Wasserstraßen zu überarbeiten. Im Verfahren gegen den Kapitän der Ena 2 habe sich gezeigt, dass insbesondere die Vorfahrtssituation beim Auslaufen großer Containerschiffe uneindeutig sei: „Es besteht ein Widerspruch zwischen Gewohnheitsrecht und Gesetz.“
Das Gericht verurteilte Mike K. gestern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Er habe sich der Gefährdung des Schiffsverkehrs und der fahrlässigen Gewässerverunreinigung schuldig gemacht, als er volltrunken sein Tankschiff in die Pudong Senator steuerte.
Mike K. hatte die Nacht vor dem Unfall durchgezecht. Rund 2,5 Promille Alkohol hatte er im Blut, als er den Containerfrachter rammte. An diesem Fakt kam er im Prozess nicht vorbei, insoweit hat Mike K. seine Verantwortung eingeräumt. Die Schuld an der Kollision hat er hingegen dem Kapitän der Pudong Senator gegeben: Der habe den Funk an Bord nicht abgehört und die Standortmeldung der Ena 2 nicht mitbekommen, sagte Verteidiger Otmar Kury.
Als er das Tankschiff auf sich zufahren sah, habe er „überheblich“ vorausgesetzt, dass die kleine Ena 2 seinem großen Schiff ausweichen werde, obwohl sie Vorfahrt hatte. „Während Mike K. ein Manöver des letzten Augenblicks einleitete, schlief man auf der Brücke der Pudong Senator“, hielt Kury dem Kapitän vor.
Das Gericht hingegen milderte den Vorwurf ab. Den Schiffsführer des Containerfrachters treffe eine „Mitverantwortung“, aber keine „strafrechtlich relevante Schuld“. Zunächst sei es Mike K. gewesen, der gegen Vorschriften verstieß: Er fuhr auf der linken Seite des Fahrwassers und bog schräg in den Parkhafen ein, aus dem die Pudong Senator soeben ausfuhr.
Grundsätzlich sei es zwar möglich, vom Rechtsfahrgebot abzuweichen, sagte der Richter, der selbst ein Kapitänspatent hat. Auch dass die Vorfahrtsregelung im Einzelfall abgeändert werde, komme tagtäglich vor, „funktionieren kann der Hafen nur, wenn man auch mal alle Fünfe gerade sein lässt“.
Das aber setze eine Absprache zwischen den beteiligten Schiffen voraus – und die sei hier nicht erfolgt. „Machen wir uns nichts vor: Wäre der Angeklagte nüchtern gewesen, wäre das Manöver geglückt.“ So sei es ein Wunder, dass Mike K. die Ena 2 nach der Kollision noch an den Anleger steuern konnte. Dort erst war das Schiff gekentert.
Das Gericht sah Mike K. schon dadurch bestraft, dass er sein Schiffsführerpatent und seinen Job verloren hat. Als Bewährungsauflage muss er 1.000 Euro Bußgeld zahlen – an den Natur- und Umweltschutz.