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Archiv-Artikel

Bürgermeister allein zu Haus

Pünktlich zum 100. Geburtstag sollen die Hemelinger ihr Rathaus räumen. Der Beirat will klagen, das Problem des Platzüberschusses im kommunalen Regierungssitz kann aber auch er nicht lösen

Reichlich Platz: Drei Etagen für den Ortsamtsleiter und drei MitarbeiterInnenUllrich Höft: „Das Gebäude soll in öffentlicher Nutzung bleiben“

Hemelingen taz ■ Noch ist Ullrich Höft Herr im Haus – und in was für einem. Der Hemelinger Ortsamtsleiter residiert in einem schlossartigen Gebäude, dessen hundertster Geburtstag gerade feierlich begangen wurde. Jetzt aber will die Gesellschaft für Bremer Immobilien (GBI) das Gebäude möglichst bald meistbietend verkaufen.

Aufgrund einer Anweisung des Innenressorts hatte Höft die Flächen bereits zum 31.12.2005 gekündigt. Immerhin dürfen sie „im Zustand der Kündigung“ bis zum 30. Juni weiter genutzt werden. Dann aber soll endgültig Schluss sein mit der Hemelinger Rathaus-Tradition, was den Beirat des Stadtteils auf die Barrikaden treibt. Er hat Höft in einem einstimmig gefassten Beschluss aufgefordert, „umgehend“ vor dem Bremer Verwaltungsgericht Klage einzureichen – mit dem Ziel, „das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären“.

Höft ist keiner, den man für Hemelinger Belange zum Klagen tragen muss. Als Teil der zu beklagenden Behörde, Dienstherr aller Bremer Ortsamtsleiter ist der Innensenator, befindet er sich allerdings in einer prekären Situation, weswegen der Beirat nun selber klagen will. Dass daraus allerdings „Honig“ für die Zukunft des Hemelinger Rathauses gesaugt werden könne, halte er für sehr ungewiss, sagt Höft.

Schließlich ist das dahinter stehende Problem der chronische Leerstand des 1.500 Quadratmeter messenden Gebäudes. Das Standesamt – hier hat Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher geheiratet – ist bereits 1975 zentralisiert worden, vor gut zwei Jahren wurde die Sozialbehörde ausgelagert. Der letzte Aderlass: Ende des Monats müssen die acht MitarbeiterInnen der Meldestelle in die Stresemannstraße ziehen, wo das dritte Bremer Bürgerservicecenter (BSC) als zentrale Anlaufstelle entsteht. Anders ausgedrückt: Ab März sitzt Höft mit nur noch drei MitarbeiterInnen in dem drei Etagen umfassenden Gebäude.

Alles wäre anders, wenn sich nur Mitmieter finden ließen. Die Idee, das gesamtbremische Standesamt nach Hemelingen zu holen, sei „umfänglich geprüft“ worden, sagt Höft – „bislang ergebnislos“. Zwar soll das Amt sein attraktives Domizil an der Hollerallee ohnehin räumen, in Hemelingen würden jedoch 500 Quadratmeter Nutzfläche fehlen – auch wenn das Ortsamt das Gebäude ganz selbstlos mitsamt dem dunkel vertäfelten früheren Bürgermeister-Zimmer räumen würde. Dazu wäre Höft durchaus bereit. Schließlich gelte als oberste Prämisse: „Das Gebäude soll in öffentlicher Nutzung bleiben.“

Genau daran besteht jedoch offenbar eher psychologischer als materieller Bedarf, was auch mit dem nicht gerade optimalen Renovierungszustand zu tun hat. Selbst eine „private-public“ Patchwork-Vermietung unter Einbeziehung von Kinderkrabbelgruppen ließ sich bislang nicht realisieren. Nachdem nun auch der Plan, das Hemelinger Polizeirevier in‘s Haus zu holen, aus Kostengründen gescheitert ist, muss das Ortsamt wohl seinerseits im Laufe des Jahres zu den Ordnungshütern in die Christernstraße ziehen.

Die bevorstehende Aufgabe des traditionsreichen Gebäudes sorgt für Unruhe – immerhin ist fast jeder zehnte Bremer eigentlich Hemelinger. Schon bei der nach dem Krieg erfolgten Zusammenlegung mit Hastedt, Sebaldsbrück, Mahndorf und Arbergen zum „Stadtteil Hemelingen“ habe sich das Haus als Kristallisationspunkt bewährt, erklärt Höft – „schließlich haben hier ein sehr ausgeprägtes Ortsteilbewusstsein“. Höft: „Die Stimmung ist durchaus rebellisch. Schließlich wollen wir unser Rathaus behalten.“

Letzte Hoffnungen ruhen dabei auf dem Denkmalpfleger. Der nämlich werde Teile des Gebäudes „mit ziemlicher Sicherheit“ unter Schutz stellen, sagt Höft. Das würde zumindest einen etwaigen Abriss nach erfolgter Privatisierung erschweren.

Henning Bleyl