Darfur wirft Schatten auf Tschad

In Tschads Osten verstärken Rebellen, die Präsident Déby stürzen wollen, ihre Angriffe. Doch sie sind zerstritten – wegen gegensätzlicher Loyalitäten im benachbarten Sudan

BERLIN taz ■ Der Angriff kam zur Mittagszeit, als der Präfekt sich gerade mit Hilfsorganisationen traf. Rund 100 bewaffnete Rebellen marschierten in die Stadt Guéréba im Osten des Tschad ein, umstellten die Präfektur und nahmen den Präfekten zusammen mit dem Gendarmeriechef der Stadt und anderen Offiziellen gefangen. Bei ihrem Rückzug aus der Stadt schossen sie mit automatischen Gewehren und einem Raketenwerfer.

So schildert ein Augenzeuge den Überfall der tschadischen Rebellenorganisaion FUC (Vereinigte Kräfte für den Wandel) auf Guéréba, einen Ort 80 Kilometer westlich von Tschads Grenze zum Sudan, am 20. Januar. Bis heute soll sich Präfekt Ngana Djékila in der Gewalt der FUC-Rebellen befinden – im Sudan.

Denn die FUC, die sich den Sturz von Tschads Präsident Idriss Déby zum Ziel gesetzt hat, soll von Sudans Regierung unterstützt werden. Jedenfalls behauptete dies kurz vor dem Angriff auf Guéréba FUC-Führer Abdelwahid Aboud. Tschads Präsident erklärte schon im Dezember, sein Land befinde sich mit Sudan im Kriegszustand.

Sudan wiederum ist davon überzeugt, dass die Rebellen in seiner an Tschad grenzenden Westregion Darfur von Tschad unterstützt werden. Die Rebellion in Darfur ging 2003 vom dortigen Volk der Zaghawa aus, dessen Angehörige zusammen mit denen anderer Völker in Darfur zu hunderttausenden von regierungstreuen sudanesischen Milizen vertrieben worden sind. Tschads Präsident Déby ist ebenfalls Zaghawa. Am 28. Januar besetzten Rebellen, die nach UN-Angaben aus dem Tschad über die Grenze gekommen waren, den Ort Armakol im Westen Darfurs und erbeuteten große Mengen schweren Militärgerätes der sudanesischen Armee.

Die explosive Lage beunruhigt vor allem Frankreich, das in den 80er-Jahren schon Tschad gegen libysche Destabilisierung verteidigte und seitdem Truppen dort stationiert hat. Abéché, die größte Stadt im Osten Tschads, beherbergt eine französische Militärbasis, deren Logistik auch den UN-Hilfswerken bei der Versorgung der derzeit rund 200.000 registrierten Darfur-Flüchtlinge in der Region dient. Die Franzosen in Abéché unterstützen auch diskret das tschadische Militär, das in den letzten Woche massive Verstärkung in die Region gebracht hat. Frankreich fürchtet bei einem Sturz Débys Instabilität, die auch auf andere Länder Zentralafrikas übergreifen könnte.

Während der Osten Tschads in den Krieg schlittert, macht die Zerstrittenheit der tschadischen Rebellen einen raschen Sturz des Präsidenten unwahrscheinlich. Denn zahlreiche weitere Rebellengruppen rivalisieren mit der angeblich von Sudans Regierung unterstützten FUC. Darunter sind viele Zaghawa-Militärs, die 1990 zwar halfen, Déby an die Macht zu bringen, nun jedoch mit ihm gebrochen haben. Zusammengeschlossen in der SCUD (Sockel für Wandel, Einheit und Demokratie), unterstützen sie sowohl Teile der Rebellion in Darfur als auch eigene bewaffnete Gruppen im Osten Tschads.

Was den Krieg in Sudan zwischen der Regierung und den Darfur-Rebellen angeht, sitzen also sowohl Tschads Regierung als auch Tschads Rebellen zwischen allen Stühlen. „Erst hat Déby die sudanesischen Rebellen unterstützt“, erklärte kürzlich Tom Erdimi, prominenter Zaghawa-Politiker, ehemaliger Kabinettschef des tschadischen Präsidenten und heute Unterstützer der SCUD im US-Exil. „Dann hat er sich mit Sudans Regierung verbündet, um die Rebellen zu spalten. Und nun nutzt er die Rebellen, um seine eigenen Rebellen zu bekämpfen.“

In einer SCUD-Presseerklärung von Anfang Januar wird konstatiert: „Die Versuche, die verschiedenen militärischen Bewegungen zu vereinigen, die im Osten des Tschad operieren, sind zum Fiasko geworden.“ Und selbst innerhalb der mit der SCUD rivalisierenden FUC tobt ein bitterer Machtkampf.

Leidtragende der Situation sind die Bewohner des Kriegsgebietes. Nach dem Rebellenangriff auf Guéréba wurden 200 internationale Mitarbeiter von Hilfswerken in die Stadt Abéché evakuiert. Zehntausende Darfur-Flüchtlinge verloren ihre Betreuung. Mehrmals sind Autos von Hilfswerken von tschadischen Rebellen überfallen worden. Erst diese Woche sollte der Versuch gemacht werden, Hilfswerke zurück nach Guéréba zu bringen. DOMINIC JOHNSON