piwik no script img

Archiv-Artikel

Obama wagt noch am meisten

Vor fast einem Jahr beschloss die G 20, den Kasinokapitalismus zu zähmen. Nun werden Warnungen vor Reformchaos laut

BERLIN taz | Im vergangenen April waren sich die 20 großen Industrie und Schwellenländer (G 20) auf ihrem ersten Finanzgipfel einig: Der Kasinokapitalismus muss gezähmt werden. Knapp ein Jahr später zeigt sich, dass es in den meisten Fällen bei bloßen Ankündigungen geblieben ist.

Am weitesten vorgewagt hat sich US-Präsident Barack Obama, der Großbanken unlängst mit einer Schrumpfkur drohte. Keine Bank dürfe zu groß sein, um nicht pleitegehen zu können: „Nie mehr darf der US-Steuerzahler zur Geisel einer Bank werden, die durch ihren Kollaps die gesamte Wirtschaft mit sich reißen kann“, erklärte Obama. Zudem solle das traditionelle Bankgeschäft mit Spareinlagen und Kreditvergabe wieder wie früher vom spekulativen Investmentbanking getrennt werden.

Die großen Banken haben inzwischen ihre Lobbymaschinerie in Gang gesetzt, um genau das zu verhindern. Die von der Obama-Regierung geplante Einrichtung einer Verbraucherschutzbehörde für die Finanzbranche wird unterdessen von den Republikanern im Kongress blockiert.

Die Finanzminister der G 7 waren sich auf ihrem Treffen vor zwei Wochen in Kanada lediglich einig, dass die Banken für künftige Krisen zur Kasse gebeten werden sollen. Nicht einig waren sie sich über das Wie. Zur Debatte stehen eine Finanztransaktionssteuer und eine Bankenabgabe, wie sie US-Präsident Obama schon angekündigt hatte. Die EU plant derzeit offenbar keine strengeren Regeln, um Bankpleiten zu verhindern, sondern lediglich einen besseren Kundenschutz im Pleitefall. Die Banken sollen künftig 2 Prozent der Spareinlagen in einen Sicherungsfonds zahlen, drei- bis fünfmal so viel wie jetzt. Schärfere Eingriffe wie die in den USA geplanten lehnte EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier ab: „Man kann nicht wie selbstverständlich die von US-Präsident Obama vorgeschlagenen Ideen auf den europäischen Kontinent übertragen.“ Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte bereits vor einem internationalen Chaos bei den Reformbemühungen.

In Deutschland hat man sich bislang allein auf die Rettung angeschlagener Banken konzentriert. Da gab es Garantien und Finanzhilfen bis hin zur Verstaatlichung sowie ein Gesetz, das den Banken die Auslagerung fauler Kredite in eigene Bad Banks erlaubt. Was es nicht gibt, sind neue Regeln. Die Bundesregierung wartet nun erst einmal eine internationale Finanzkonferenz ab, zu der sie für Mai nach Berlin geladen hat. NICOLA LIEBERT