Steuerstreit belastet das Koalitionsklima

FINANZLOCH Die Fraktionen von SPD und CDU sind weiter uneins, wie sie die Folgen des Zensus 2011 refinanzieren sollen. Senatssprecher erwartet Einigung, Haushaltsentwurf offenbar eine Woche später

Auf Anspannung folgt Entspannung. Das ist auch in der 3. Etage des Abgeordnetenhauses so, wo sich SPD und CDU zu Fraktionssitzungen treffen. Am Dienstagnachmittag aber beschränkte sich die Entspannung auf den Yogakurs im Festsaal zwischen den beiden Fraktionsräumen. Denn in der rot-schwarzen Koalition gehen weiter die Meinungen auseinander, wie die fast eine Milliarde schweren Einnahmeverluste als Folge des Zensus 2011 auszugleichen sind. Die CDU-Fraktion lehnt jene höhere Grunderwerbssteuer ab, mit der SPD-Fraktionschef Raed Saleh jüngst vorgeprescht ist.

Wenige Stunden zuvor hatte schon der Senat die Einnahmeausfälle diskutiert, die sich daraus ergeben, dass Berlin nicht wie angenommen rund dreieinhalb Millionen Einwohner hat, sondern 180.000 weniger. Laut Senatssprecher Richard Meng spielten konkrete Vorschläge dabei noch keine Rolle. Man prüfe derzeit, ob sich gegen das Zensusergebnis Einspruch einlegen lässt. Die Frist dafür läuft in dreieinhalb Wochen ab.

Meng bezeichnete es als normalen Vorgang, wenn Koalitionsfraktionen unterschiedlich auf eine neue Situation reagieren. „Das wird aber zusammengeführt werden, daran habe ich gar keinen Zweifel“, sagte er.

Danach sah es am Dienstagnachmittag noch nicht aus. In der CDU gibt es nicht nur inhaltliche Bedenken gegen eine Steuererhöhung, sondern auch Verärgerung über das Vorgehen des Koalitionspartners. Saleh soll die CDU nicht auf seinen Vorstoß vorbereitet haben. Die Union sieht statt höherer Steuern eher Projekte auf der Kippe, von denen sie ohnehin nicht überzeugt war. Dazu gehören die geplante neue Landesbibliothek und der Kauf der Strom- und Gasnetze. Erstere ist auch in der SPD selbst umstritten, sie gilt als Lieblingsprojekt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD).

Wegen des noch offenen Vorgehens verschiebt sich voraussichtlich auch der Beschluss des Senats über den Entwurf des Haushaltsplans für die kommenden beiden Jahre. Der war für den 18. Juni angesetzt und soll nun offenbar eine Woche später erfolgen. Der weitere Verlauf der Haushaltsberatungen wäre davon aber nicht berührt: Das Abgeordnetenhaus, das bei den Landesfinanzen das letzte Wort hat, beginnt mit seinen Haushaltsberatungen ohnehin erst nach der Sommerpause.

STEFAN ALBERTI