piwik no script img

Archiv-Artikel

Gruppierungen im Raum Karl-Marx-Stadt

POP Als Depeche Mode in der DDR auftraten, gelang es der Partei, ihren Auftritt geschickt zu instrumentalisieren. Trotzdem lasen Fans die Cover der Band als Subversion, zeigt eine Ausstellung zur Depeche-Mode-Fankultur

Vielleicht ist es ihr Hang zum Schwermut, der im Land der Grübler einen Nerv getroffen hat

VON ANDREAS HARTMANN

Am Wochenende haben Depeche Mode in Berlin mal wieder ein gefeiertes Konzert gegeben, vor über 60.000 Zuschauern im Olympiastadion. Wahrscheinlich könnte die Band das Stadion alle zwei Monate ausverkaufen. Depeche Mode spielen, auch was die Treue ihrer Fans anbelangt, in einer eigenen Liga. Eine Ausstellung, eine „Depeche Mode Fan Exhibition“ im Warenhaus Jandorf in Mitte, die natürlich nicht zufällig rund um den Auftritt von Depeche Mode in Berlin terminiert wurde, zeigt geneigten Depeche-Mode-Fans einige Exponate rund um die englische Synthiepopband. Sie bietet zugleich Einblick in diese doch ziemlich spezielle Fankultur, die sich rund um die seit den frühen Achtzigern aktive Band herausgebildet hat.

Depeche-Mode-Fans als eigene Spezies, das war bereits vor ein paar Jahren Thema des Dokumentarfilms „The Posters Came From The Walls“ des englischen Künstlers Jeremy Deller, der auf extreme Fans der Band selbst im Iran stieß und gar eine ganze Familie portraitierte, die die intensive Beschäftigung mit Depeche Mode zu ihrem Hobby erklärt hat. Depeche Mode, das machte der Film klar, ist mehr als bloß eine der erfolgreichsten Popbands aller Zeiten.

Die Ausstellung in Berlin besteht zum Großteil aus Exponaten der wohl größten Depeche-Mode-Sammlung der Welt, die der in der DDR aufgewachsene Dennis Burmeister zusammengetragen hat. Sie nähert sich der Frage an, warum Depeche Mode speziell im Ostblock und vor allem in der DDR in beinahe religiöser Weise überhöht wurden. Leider wird diese spannende Thematik nicht konzentriert genug angegangen, dafür ist die Ausstellung zu sehr Devotionalien-Show, die dem Fan seltene Plattencover, Depeche-Mode-Tassen, -Kippas und anderen Nippes präsentiert.

Als roter Faden zieht sich der Schwerpunkt „Depeche Mode in der DDR“ aber durch die Ausstellung, angefangen mit einem Musterexemplar der einzigen in der DDR gepressten Depeche-Mode-Platte, einer „Greatest Hits“-Sammlung auf Amiga. Zu sehen sind auch ein paar Stasi-Akten, die zeigen, dass sich der Arbeiter- und Bauernstaat irgendwann genötigt sah, sich näher mit dem Treiben junger DDR-Bürger zu beschäftigen, die englische Popmusiker mit Föhnfrisuren und schrillen Lack- und Leder-Klamotten aus der SM-Abteilung verehrten. Da wurden dann „Kontaktversuche eines Depeche-Mode-Fans aus Berlin (West)“ rapportiert und jemand beobachtet, der angab, Personen ausfindig machen zu wollen, „die in der DDR erschienene Schallplatten von der Gruppe Depeche Mode gegen DM verkaufen würden“. Weitere Fahndungsmaßnahmen brachten „Hinweise auf bestehende Depeche-Mode-Fangruppierungen im Raum Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt“.

Wie in Westdeutschland gab es auch in der DDR Depeche-Mode-Partys, und es wurden Fanzines erstellt, etwa das „Journal of the Depeche-Mode-Fanclub Black Day Schwerin“. Die Band aus England bekam irgendwann mit, dass sie in der DDR eine immens große Fanbasis hatte. Am 7. März 1988 trat sie schließlich in Ostberlin auf. Die Karten für das Konzert gingen allerdings nicht in den freien Verkauf, sondern wurden über FDJ-Organisationen verteilt. Der Auftritt wurde vom Regime für Propagandazwecke missbraucht, und die Band selbst sagte später, dass sie nicht in der DDR aufgetreten wäre, hätte sie gewusst, was hinter den Kulissen rund um das Konzert so ablief. Dennoch kursieren bis heute Geschichten, dass echte Depeche-Mode-Fans alles dafür taten, bei dem Konzert dabei sein zu können, einer soll sogar sein neues Moped gegen ein Konzertticket getauscht haben.

Warum Depeche Mode speziell in Deutschland so populär wurden, darüber wird immer wieder spekuliert. Vielleicht liegt es daran, dass sie letztlich den Sound von als typisch deutsch geltenden Bands wie Kraftwerk und den Einstürzenden Neubauten adaptierten und massentauglicher machten. Vielleicht ist es auch der Depeche-Mode-typische Hang zu Schwermut und Melancholie, der im Land der Grübler einen Nerv getroffen hat.

Auch in dem gerade erschienen Depeche-Mode-Fanbuch „Monument“, das ebenfalls auf der Sammlung von Dennis Burmeister basiert, werden Erklärungsversuche für den Depeche-Mode-Kult in der DDR unternommen. Die Ästhetik von Depeche Mode war demnach für Jugendliche in der DDR vertraut und lies sie zugleich in eine eher unbekannte Welt eintauchen. Bereits frühe Plattencover der Band waren deutlich an den sozialistischen Realismus angelehnt, etwa das von „A Broken Frame“, auf dem man eine Arbeiterin auf einem Feld sieht, oder das von „Construction Time Again“, das einen heroischen Arbeiter mit Vorschlaghammer zeigt. Diese Ikonografie war den DDR-Bürgern geläufig, gleichzeitig war ihnen aber klar, dass sie in der Verwendung von Depeche Mode nicht eine plumpe Idealisierung des Arbeiters bedeutete wie in der DDR-Propaganda. Der Fan in der DDR erkannte in Depeche Mode wohl etwas Subversives für sich.

Depeche Mode Fan Exhibition. Im Warenhaus Jandorf. Brunnen- Ecke Veteranenstraße, Mitte, täglich 12–21 Uhr, bis 20. Juni