: Knüppel aus Deutschland
SOLIDARITÄT Im Haus der Menschenrechte und Demokratie wurde darüber diskutiert, welche Unterstützungsmöglichkeiten für die iranische Zivilgesellschaft denkbar sind
VON PHILIPP GOLL
Alles so schön hier, drei Frauen spielen Sufi-Musik, und das Publikum lauscht andächtig. Tatsächlich ist die Situation aber sehr viel ungemütlicher. Als es im Juli 2009, anlässlich der gefälschten Wahlen in Iran, zu massiven Protesten kam, erklärte sich US-Präsident Barack Obama mit der protestierenden Bevölkerung solidarisch. Und von da an konnte die Führungsriege der Islamischen Republik Iran die Demonstranten als von den USA indoktriniert denunzieren. Was also tun, um die iranische Bevölkerung zu unterstützen? Diese Frage stellte die Konferenz „Die Menschenrechte im Iran – Unterstützung der Zivilgesellschaft aus Europa“, die am Freitag im Haus der Menschenrechte und Demokratie tagte.
Erst einmal gehe es um ein grundlegendes Verständnis der Situation, in der sich die Welt befinde, sagte der Politologe Wahied Wadat-Hagh. Deutschland müsse erkennen, dass das Problem nicht allein in der Abwägung zwischen Sicherheitspolitik und Wirtschaftsinteresse liege. Man verkenne den ideologischen Charakter des politischen Systems. Auch der Pariser Religionswissenschaftler Seyed Mostafa Azmayesh betonte die fundamentalistischen Entwicklungen des theokratischen Regimes und die apokalyptische Ideologie der aufstrebenden Atommacht. Die Publizistin Saba Farzan forderte hingegen, dass ein differenzierteres Bild von der zivilgesellschaftlichen Bewegung in Iran vermittelt werden müsse, da es um einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel gehe. Der Forderung nach demokratischen Neuwahlen gingen nämlich drei „kleine“ Revolutionen voraus: eine medientechnische durch das Internet, eine subkulturelle durch Musik und eine sexuelle Revolution. Die Proteste seit der Wiederwahl Mahmud Ahmadinedschads 2009 seien nur ein deutliches Symptom eines Wandels der iranischen Gesellschaft, deren Forderungen an die hiesige friedliche Revolution von 1989 erinnerten. Dieter Karg, Sprecher der Iran-Koordinationsgruppe von Amnesty International Deutschland, sieht die Unterdrückung des Protests durch die mit härtester Brutalität agierenden Revolutionsgarden als eine Art Katalysator, durch den das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen endlich öffentlich geworden sei.
Seit den Festnahmen und Folterungen im Zuge der Demonstrationen der grünen Opposition hat sich das Regime entlarvt, die Utopie eines reformierbaren islamischen Staats ist verblasst. Unter Lebensgefahr wagen sich Demonstranten nun auf die Straße, um für einen liberalen und säkularen Iran einzutreten. Die Antwort der Führungsriege im Namen des religiösen Führers Ali Chamenei ist unverblümt brutal. Menschenrechtsorganisationen sprechen von über 1.000 Verhaftungen seit den Unruhen Ende Dezember. Zwei Todesurteile seien über Oppositionelle verhängt worden. Dennoch: Seit 1979 gab es kein so starkes Aufbegehren der Bevölkerung. Die Frage ist drängend: Was tun, um Irans Zivilgesellschaft zu unterstützen?
Man müsse in Deutschland, sagte Dieter Karg, eine Öffentlichkeit für kritische Stimmen schaffen. Amnesty International gebe jedoch keine Handlungsanweisungen, dafür nenne man das Problem beim Namen: Menschenrechtsverletzungen, Menschenrechtsverletzungen, Menschenrechtsverletzungen. Wahied Wadat-Hagh sieht Bigotterie vor allem in den Wirtschaftsbeziehungen, zumal Deutschland mit einem Umsatz von 3,3 Milliarden Euro (2009) Irans größter europäischer Handelspartner ist. In der Tat tragen die wirtschaftlichen Beziehungen obszöne Früchte. „Die Knüppel, mit denen die Revolutionsgarden auf die Demonstranten einschlagen, kommen aus Deutschland“, informierte Wadat-Hagh: Unterstützung aus dem Westen wäre etwa ein wöchentliches 15-minütiges Programm auf der Deutschen Welle, in dem Amnesty International über Menschenrechtsverletzungen im Iran aufklärte. Das fand Dieter Karg dann auch ganz gut.
Saba Farzan mahnte, der Westen müsse aufwachen und den Bau der Atombombe mit allen nur möglichen nichtmilitärischen Mitteln verhindern. Ein gutes Zeichen sei es schon, dass Siemens seine Wirtschaftsbeziehungen zum Iran abbreche. Fraglich, ob das auf plötzliche Selbsterkenntnis zurückzuführen ist. Vielleicht gibt es ja Kreise, die über den Ernst der Lage bestens informiert sind und sich deshalb aus Iran zurückziehen. Im Haus der Demokratie und Menschenrechte wurden zunächst einmal Datteln verteilt.