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Archiv-Artikel

Gegen Rassismus, Ausverkauf und Stadtumstrukturierung

Wer sind eigentlich diese Menschen in unserer Stadt, die es noch wagen, ihre Zeit und Energie auf den Kampf für solch hohe Anliegen zu verwenden? Was sind ihre Hintergründe und was machen sie?

Vor nunmehr zwei Wochen blockierte ein breites Bündnis von Antifagruppen, Parteien und Gewerkschaften erfolgreich den größten Naziaufmarsch Europas, der jedes Jahr in Dresden stattfindet. An den Blockaden des Bündnisses, das sich No Pasaran nennt, war auch die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) beteiligt. Wie der Pressesprecher der ALB, Tim Laumeyer, in einem Gespräch mit der taz erzählte, sei das Ziel der Gruppe, nicht nur gegen Nazis, sondern auch für eine Gesellschaft zu kämpfen, die ohne jegliche kapitalistische Verwertungslogik funktioniere. „Das Leben ist schön und die Welt ist schlecht“, meinte Laumeyer, der seit 1998 in der Gruppe aktiv ist, dazu.

Hervorgegangen ist die ALB 2003 aus der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB). Die AAB war bis dato die mitgliederstärkste Antifa-Gruppe in Deutschland und hatte sich 1993 als Antwort auf den wiedererstarkenden Rechtsextremismus in der Bundesrepublik gegründet, der sich unter anderem 1992 bei einem über mehrere Tage dauernden Gewaltexzess von Neonazis gegen die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen artikulierte.

Im Februar 2003 spaltete sich die AAB in einen theorieorientierten (Kritik und Praxis Berlin, die sich 2007 erneut spaltete) und einen bewegungsorientierten Flügel (ALB), wobei Laumeyer die ALB als direkte Folgegruppe der AAB bezeichnete. Bewegungsorientiert sei die ALB deshalb, weil sie der Ansicht sei, dass gesellschaftliche Entwicklungen nur mit und durch größere soziale Bewegungen entstünden. „Wir wollten nicht nur kommentieren, sondern auch mitmachen“, sagte der Aktivist.

Momentan sind 40 Leute in der Gruppe aktiv, deren Arbeit Laumeyer als sehr „effizient“ bezeichnet, weil sie über eigene Layouter, Designer und viele Kontakte verfüge. Die Aufgaben sind klar verteilt, für die einzelnen Bereiche wie etwa Demoorganisation oder Redaktion der Gruppenzeitschrift Antiberliner gibt es jeweils Arbeitsgruppen. Diese treffen sich einmal pro Woche zu einer Vollversammlung.

Gemeinsam beackern die AktivistInnen der ALB zwei politische Felder: Antifaschismus und Antikapitalismus, und das auf verschiedene Art und Weise: Zunächst einmal unterstütze die ALB globalisierungs-, bildungs- und sozialkritische Gruppen mit ihrer Infrastruktur. Zum Beispiel nahm sie sehr aktiv an den Bildungsprotesten teil und stellte dort Lautsprecherwagen und Transparente zur Verfügung.

Ein weiterer wesentlicher Punkt sei die „intensive“ Öffentlichkeitsarbeit. Nach Laumeyer ginge es darum, Themen wie die brennenden Autos in Berlin zu besetzen.

In diesem Fall vertrat die ALB die Meinung, dass es sich bei den lodernden Karosserien irgendwelcher Luxusautos nicht um Kriminalität, sondern um „Widerstand gegen die Umstrukturierung der Stadt“ gehandelt habe. Der militante Widerstand gehöre schon seit jeher zu Berlin, sagte Laumeyer.

Auch habe die Gruppe einen Arbeitsschwerpunkt in der Bündnisarbeit. Dabei habe die ALB auch keine Berührungsängste. Nicht einmal gegenüber der FDP, mit der sie und dutzende weitere Gruppen gemeinsam die Freiheit-statt-Angst-Demo 2007 organisierte.

„Es kommt uns auf die Sachfrage an, mit wem wir zusammenarbeiten“, sagte Laumeyer. Außerdem sei die Arbeit mit dem „Establishment“ ein gutes Mittel, um von dem Image der „bösen Autonomen“ ein wenig Abstand zu gewinnen.

Apropos „böse Autonome“. Hier muss natürlich noch die viel umstrittene „Revolutionäre Erste-Mai-Demo“ erwähnt werden, zu der die ALB seit 1993 regelmäßig aufruft.

Die Demo zieht nicht nur aktive Linke aus ganz Deutschland an, sondern auch viele Jugendliche, die auf dem Protestzug ihr „Forum“ fänden, wie Laumeyer erklärte. Für ihn sei die Veranstaltung eine gute Möglichkeit, Sachfragen wie der Stadtumstrukturierung eine größere Aufmerksamkeit zu verschaffen. LUKAS DUBRO