: Arbeit am Image
Das Kölner Museum Ludwig zeigt die Londoner Fotoschau „Icons“: subtile und weniger subtile Bildpropaganda
Im christlichen Abendland sind Bildnisse als Medium der Erinnerung seit dem frühen Mittelalter zugelassen. In zunehmend profane Kontexte eingebettet werden die Herrscherbilder jener Zeit vermehrt für politische Zwecke eingesetzt. Ihre Bildgestalt folgt einem Schema, welches immer deutlicher vor allem der Repräsentation von Macht dient: majestätisch-strenge Frontalität etwa oder physische Dominanz des Bildraums sind Bildstrategien, die auch die Fotografie des 20. Jahrhunderts abgewandelt immer noch einsetzt, um bestimmte Wirkungen zu erzielen, um eine Aussage zu unterstreichen. Besonders deutlich wird die Berufung auf die Tradition der Bildrhetorik im Blick auf die erstaunlich kleinformatigen Bildnisse politisch-öffentlicher Personen, die das Museum Ludwig, neben anderen, jetzt unter dem Titel „Für immer und ewig? Die Meistfotografierten“ zeigt.
Die von Robin Muir in London kuratierte Ausstellung versammelt Bilder von Menschen, die immer schon gerne fotografiert wurden und die im öffentlichen Bildgedächtnis einen festen Platz haben. Sie wurde 2005 erstmals in der Londoner National Portrait Gallery gezeigt. Neben der großmütterlichen Queen Victoria, deren Fotoporträts mit der imperialen Geste kultureller Hegemonie im gesamten Empire verbreitet wurden, einem asketischen Mahatma Gandhi, dem albern und theatralisch posierenden Adolf Hitler und einem familiär-sportlichen John F. Kennedy, sind es viele Filmschauspieler, deren Beruf ohnehin das Posieren ist: Greta Garbo, die große Geheimnisvolle, Audrey Hepburn, verletzliches Küken und engagierte Kämpferin gegen die Not, Marlene Dietrich, schön und kontrolliert, eine fröhlich unbeschwerte Marilyn Monroe, ein von seinem tragischen Ende umflorter James Dean. Elvis Presley, auch backstage ein Star, Muhammed Ali in Siegerpose, Picasso in Unterhose.
Mit der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert wird die Propaganda-Maschinerie modernisiert und im 3. Reich von Hitlers Hoffotografen Heinrich Hofmann erstmals zu perfider Perfektion getrieben. Die Porträtierten selbst oder ihre Ratgeber lenkten und zensierten die Bildproduktion und trugen so zu Mythenbildung und Selbststilisierung bei. Mit der Präsentation der kleinen, beiläufigen Aufnahmen, die aus dem offiziellen Kanon der repräsentativen Porträts herausfallen, wird freilich auch die Abweichung, nämlich „ungekünstelte Privatheit“ gezeigt. Seit rund 150 Jahren aber dienen fotografische Porträts der Arbeit am Image. Macht inszeniert sich und wird inszeniert, Ruhm inszeniert sich und wird inszeniert. Schönheit und Glamour sind wie Humanität und Genie Attribute, die mittels der Fotografie in Szene gesetzt werden. Warum nicht auch das „wahre Bild“ des Menschen hinter der Pose?
Fotografie aber als „demokratisches“ Medium globaler Information misszuverstehen, das wird anhand der historischen Bilderschau in Köln erneut klar, ist ein Fehler. Mahatma Gandhi etwa (1869-1948) wurde als Heiliger verehrt, sein Bild zu einer Ikone. Im Kampf für die Unabhängigkeit Indiens mußte und konnte sein Porträt für ihn sprechen und die strenge Bildregie diente den hehren politisch-strategischen Zielen. Propaganda war auch sie. Ermöglicht uns diese Ausstellung nun aber tatsächlich, die manipulative Verführungsmacht der Bilder zu erkennen und dieses Wissen als Instrument kritischer Weltsicht im Umgang mit aktuellen Bildern unseres Alltags zu benutzen? Und können die nichtautorisierten, die weniger perfekten Bilder, welche die offiziellen Porträts ergänzen, wirklich bei der Entzauberung der Legenden helfen oder sind sie nicht selbst schon kalkulierter Teil der „Menschwerdung“ der Stars? Ist also die „Arbeit am Mythos“ inzwischen selbst eine propagandistische Strategie? Unser Blick jedenfalls ist auch daran sozialisiert: Bert Sterns Foto-Serie „Marilyns last Sitting“ wäre ohne ihre eigenen Streichungen auf den Kontaktabzügen sicher nur halb so authentisch und ergreifend. KATJA BEHRENS
Museum Ludwig Köln bis 1.Mai