: „Wir nehmen bewusst kein öffentliches Geld‘“
Vor 13 Jahren gründete Sabine Werth den Verein Berliner Tafel. Die Aktiven versorgen täglich rund 15.000 bedürftige Menschen mit Lebensmitteln. Die Suche nach einem neuen Lager unterstützen nun die Bezirksverordneten von Mitte
taz: Frau Werth, zum Jahreswechsel hat die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (Behala) ihrem Verein das Lager im Viktoria-Speicher in Kreuzberg gekündigt. Was ist passiert?
Sabine Werth: Wir bekamen ein Jahr lang von der Behala ein Lager kostenlos zur Verfügung gestellt. Das ist jetzt neu vermietet, und wir mussten raus. Aber das ist immer so: Sobald eine lukrativere Lösung da ist, ist die Unterstützung für uns in Gefahr.
Wie können Sie ohne festes Lager denn überhaupt arbeiten?
Wir haben als Zwischenlösung zwei kleine Hallen in der Beusselstraße in Moabit. Dort sind wir aber nur notdürftig untergekommen. Obst und Gemüse können wir dort nicht richtig sortieren, weil die Luftzufuhr so schlecht ist. Irgendwann ist der Sauerstoff einfach verbraucht.
Haben Sie eine Alternative in Aussicht?
Die Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte hat einstimmig beschlossen uns zu unterstützen. Sie hatte an das alte Krankenhaus in Moabit gedacht, aber dort scheint es nun einen neuen Nutzer zu geben. Was wir brauchen, ist eine Halle in zentraler Lage.
Und trotzdem wollen Sie kein Geld vom Staat.
Wir nehmen bewusst kein öffentliches Geld in Anspruch, um den Staat nicht aus seiner Pflicht zu entlassen. Wenn wir öffentliche Mittel bekämen, dann müssten wir eine Statistik anlegen, wen wir alles versorgen. Und bei denen würde dann noch mehr gekürzt werden.
Mit der zunehmenden Armut muss auch ihr Verein wachsen. Haben Sie Angst, da in Zukunft nicht mehr mithalten zu können?
Wir sind irgendwann von einem kleinen, niedlichen Verein zu einem mittelständischen Unternehmen gewachsen. Jetzt habe ich manchmal das Gefühl, wir sind eigentlich ein Großunternehmen. Ich glaube, wir kommen nicht umhin, immer mitzuwachsen. Weil wir keine öffentlichen Gelder nehmen, sind wir natürlich auf Spenden angewiesen. Ich bin ständig damit beschäftigt zu schreien: „Wir brauchen Geld, wir brauchen Geld!“
Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie mit ihrer Arbeit nur dazu beitragen, die Folgen des Sozialabbaus zu kaschieren.
Das hören wir seitdem wir existieren. Aber es ist nicht so, dass der Senat Sozialleistungen gekürzt hat, weil es die Berliner Tafel gibt. Sondern wir haben uns erst gegründet, weil Geld gestrichen wurde. Ich bin der Meinung, dass wir mit unserer Arbeit ununterbrochen darauf hinweisen, wie groß das Elend ist und wie stark es auch zunimmt.
INTERVIEW: MARTIN REISCHKE