: NPD rechnet mit „Verrätern“ ab
NPD-Parteitag in Sachsen: Rechtsextreme überschütten ausgetretene Abgeordnete mit Hasstiraden. Bundeschef Voigt: „Zu Kaisers Zeiten hätte man sie für vogelfrei erklärt“
BERGEN/VOGTLAND taz ■ Die Partei und das Ambiente ihres Sonderparteitages nach den Austritten dreier Abgeordneter passten zusammen. Bis in den engen und leicht schmuddeligen Saal eines Gasthofes im 150 km entfernten vogtländischen Bergen musste die sächsische NPD am Samstag ausweichen, nachdem es ihr nicht gelungen war, im Raum Dresden-Pirna einen Raum zu finden. Generalabrechnung mit den drei „Verrätern“ war angesagt, die kurz vor Weihnachten Partei und Fraktion verlassen hatten. Die Ehemaligen wurden mit Hasstiraden regelrecht überschüttet, gegen die sich kaum Widerspruch regte.
„Zu Kaisers Zeiten hätte man sie in die Reichsacht getan und für vogelfrei erklärt“, rief der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt. Niemand werde je von ihnen ein Stück Brot annehmen. Der sächsische Landtags-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel verlangte von den drei „Minusseelen“ und „Lümmeln von der letzten Bank“, dass sie ihre für die NPD gewonnenen Landtagsmandate zurückgeben. Er sei für Kritik offen, aber die Abtrünnigen hätten nie das Gespräch gesucht, sondern nur intrigiert.
NPD-Landesvorsitzender Winfried Petzold, für sein bislang gutes Verhältnis zum ausgetretenen Vize Jürgen Schön bekannt, grenzte sich nunmehr scharf ab. „Die drei Aussteiger haben sich selbst aus der deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft ausgeschlossen.“ Es handele sich um eine „von langer Hand geplante Aktion des BRD-Staatssicherheitsdienstes“, sagte Petzold.
Inzwischen eingegangene Antworten des sächsischen Innenministeriums auf NPD-Anfragen bestätigen, dass es bereits seit Juli 2005 wiederholt Kontakte des Verfassungsschutzes mit den Austrittswilligen Mirko Schmidt und Klaus Baier gab. Baier hatte dies bislang stets bestritten. Landtagsfraktionsgeschäftsführer Peter Marx unterstellte, mit Hilfe Schmidts seien Psychogramme von den übrigen Fraktionsmitgliedern erstellt worden, um Einzelne gezielt herauszubrechen. NPD-Bundeschef Voigt äußerte die Vermutung, das Engagement des Verfassungsschutzes diene der angeblichen Vorbereitung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens, in dem die drei Renegaten als Kronzeugen auftreten sollen.
Nur vereinzelt wurden Sympathiebekundungen für den ehemaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden Jürgen Schön laut, der sich seit 15 Jahren um den Aufbau der NPD in Sachsen verdient gemacht habe. Von den Führungsspitzen der Partei wurde er hingegen als Psychopath bezeichnet. Aus der Parteikasse soll er 18.400 Euro für Privatzwecke entnommen haben.
Der Parteitag wählte neue Landesvorstandsmitglieder für die vakant gewordenen Posten. Er nahm außerdem einen Antrag des Dresdner Kreisverbandes an, der einen Ost-West-Konflikt innerhalb der Partei bestreitet. „Unser Ziel ist ein einiges Reich und keine Kleinstaaterei“, sagte Landesvorsitzender Petzold.
Es sei zu keinen Massenaustritten gekommen, betonte Petzold. Auf 23 Austritte seit Dezember kämen 62 Eintritte.
Nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz haben die Parteiaustritte zumindest nach außen hin eher zu einem festeren Zusammenhalt geführt. „Es ist nur die Frage, wie lange das hält“, erklärte Amtschef Rainer Stock. Es gebe weiter „genügend Konfliktpotenzial“ in der NPD. MICHAEL BARTSCH