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Archiv-Artikel

Die Bombe brauchte viele Zünder

KOPENHAGEN taz ■ Sie wollte zunächst einfach nicht explodieren. Die Bombe im Turban des Propheten. Groß auf der Titelseite der Jyllands-Posten vom 30. September 2005 wurde die Seite mit den bunten Karikaturen „Bilder Mohammeds“ angekündigt. Und dann blieben die Reaktionen aus. So rief die Redaktion bei radikal bekannten Imamen an, präsentierte die Aktion und bat um Stellungnahmen.

Auf der anderen Seite gab es ähnliche Probleme mit der Zündung. Zwar vermochte ein Aufruf von 16 islamischen Organisationen gegen „eine Zeitung, die mit dieser Aktion bewusst auf den Werten des Islam herumtrampelt“, im Oktober 4.000 Demonstranten in Kopenhagen zu versammeln. Doch dieser – bis gestern einzige – Protest war den Scharfmachern vom Islamischen Glaubensverband offenbar noch zu wenig. Dieser präsentiert sich gern als Sprachrohr „der“ 200.000 Muslime in Dänemark, hat aber weniger als ein Prozent von ihnen als Mitglieder.

Nachdem die Verbreitung der Neuigkeiten über diese Karikaturen-Affäre per Internet, Fax und Telefon offenbar nicht das gewünschte Echo hatte und auch erste Berichte in al-Dschasira keine Proteste auslösten, machten sich einige Imame persönlich auf eine Rundreise durch die arabische Welt. Was sie genau in ihren Dokumentenmappen hatten und dort in Redaktionen, bei kirchlichen und politischen Führern vorwiesen, ist unklar. Die angestellten Medienrecherchen sind sich nicht einmal darüber einig, ob die Imame wirklich aus Kopenhagen oder etwa aus Oslo kamen. Jedenfalls zirkulierten in der Öffentlichkeit bald nach dieser Rundreise Zeichnungen, die Mohammed als Schwein darstellten, aber nie in Dänemark gedruckt wurden. So wurde das Bild eines Landes verbreitet, in dem die Verhöhnung des Propheten auf der Tagesordnung steht. Beim Islamischen Glaubensverband bestreitet man, hinter solchen Fälschungen zu stehen.

Nachdem nun dänische Botschaften brennen, möchten jedenfalls die Zeitungsmacher, die den Streit vom Zaune brachen, alles ungeschehen machen. Carsten Juste, Chefredakteur von Jyllands-Posten: „Wenn wir das gewusst hätten, wären die Zeichnungen nie publiziert worden.“

REINHARD WOLFF