: Unabhängigkeit geht stiften
Immer mehr Professorenstühle werden von der Privatwirtschaft bezahlt – auch weil das Land den Unis die Mittel kürzt. Kritiker befürchten vermehrte Einflussnahme auf Forschung und Lehre
VON SEBASTIAN SEDLMAYR
Der Rektor der Fachhochschule Düsseldorf, Hans-Joachim Krause, war der Einzige, der auch ein kritisches Wort fand. Der Baden-Württemberger Energiekonzern EnBW hatte zur Antrittsvorlesung des neuen Professors Dieter Oesterwind geladen, dessen FH-Lehrstuhl EnBW sponsert. Krause unterstützte den „Rückzug des Staates aus einer bisher allumfassenden Bildungsverantwortung“, den die nordrhein-westfälische Landesregierung derzeit mit aller Macht forciert, nicht vorbehaltlos: „Wir wären gut beraten, die gegenwärtige Reform möglichst revidierbar zu halten“, sagte der Beamte mit Blick auf die neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master.
Doch FDP-Innovationsminister Andreas Pinkwart steht nach halbherzigen Reformen nicht der Sinn. Mit seinem Hochschulgesetz sollen die Universitäten und Fachhochschulen zu Unternehmen umfunktioniert werden, die wesentlich enger mit der Wirtschaft verflochten werden als jemals zuvor (taz berichtete).
Für die Hochschulen, die nach Pinkwarts Plänen ab 2007 in die unternehmerische Freiheit geworfen werden sollen, tun sich finanzielle Abgründe auf. Denn sie könnten nach der Hochschulreform als „Körperschaften öffentlichen Rechts“ pleite gehen. Private Fördergelder sind dann vielleicht der letzte Strohhalm, der eine Fakultät oder einen Studiengang vor dem Aus retten kann. Stiftungsprofessuren wie die von EnBW an der FH Düsseldorf werden deshalb künftig eine zentrale Rolle für das Überleben der Hochschulen spielen.
Aktuell listet das NRW-Wissenschaftsministerium 50 Stiftungsprofessuren im Land auf – von „rekonstruktiver Neurobiologie“ bis „Informatik“. Geisteswissenschaften sucht man vergebens; Medizin, Wirtschaftswissenschaften und Informationstechnologien dominieren. Führend bei der Privatisierung sind der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Banken und in jüngster Zeit Energieanbieter.
Für Torsten Bultmann, Bundesgeschäftsführer des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi), ist das Gesetzesvorhaben Pinkwarts nur die logische Fortführung der rot-grünen Bildungspolitik: „Es gibt schon eine Verschärfung der Privatisierungstendenz, aber man kann nicht sagen, dass das ein gigantischer Bruch ist.“ Die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung, die bei Stiftungsprofessuren stets formal garantiert wird, hält Bultmann für eine Mär: „Dass die jeweiligen Sponsoren Einfluss nehmen, liegt in der Natur der Konstruktion.“ Warum sollte ein Unternehmen, das seinen Shareholdern Rechenschaft schuldig ist, sich in altertümlichem Mäzenatentum üben? EnBW hat in Düsseldorf mehr als fünf Millionen Euro investiert.
Zahlungskräftige Unternehmen können sich nicht nur mit dem Namen der Hochschule schmücken, in die sie sich einkaufen. Ihre Aktivitäten werden von der Landesregierung auch noch quer subventioniert. Schließlich müssen Stiftungslehrstühle wie das neu entstandene „Zentrum für innovative Energiesysteme an der FH Düsseldorf“ keinen Cent für die Räume bezahlen, die sie herunterwirtschaften. Lediglich Personal und Forschungsmaterial werden von EnBW bezahlt. Für den Hochschulbau und damit auch für die anstehenden Sanierung ist weiterhin die öffentliche Hand zuständig.
Sollte das Hochschulgesetz Pinkwarts das Parlament passieren, wären auch gravierende dienstrechtliche Konsequenzen zu erwarten. Professuren könnten befristet ausgeschrieben werden (siehe Interview). Berthold Paschert, Referent beim Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, kritisiert: „Der Bestandschutz bezieht sich nur auf diejenigen, die jetzt im System sind.“ Für die Zukunft rechne er mit einer „Verschlechterung der sowieso schon prekären Beschäftigungsverhältnisse“, insbesondere für den akademischen Mittelbau.