Kein Schwein war mehr zu sehen

Mit einer an Christo erinnernden Protestaktion verhüllten gestern die Studierenden der Hochschule für Künste 20 Bremer Kunstwerke. Es droht die kulturelle Provinz, warnen sie – weil die bremischen Hochschulen 100 Millionen Euro sparen sollen

„Wir wollten die Kunst unsichtbar machen“, sagt der Student der Kunsthochschule

Bremen taz ■ Sie waren gestern in Bremen unterwegs – aber weit und breit kein Kunstwerk zu sehen? Der Roland und die Stadtmusikanten – verhüllt? Die Schweine in der Sögestraße und die Ziege auf dem Ziegenmarkt – in Plastik gewickelt? Der Neptunbrunnen, die Weltkugel an der Martinistraße – unsichtbar? Die Bremer KünstlerInnen waren‘s. Genauer gesagt: Rund 100 Studierende der Hochschule für Künste (HfK). Eine Kunstaktion, auch, vor allem aber eines: ein öffentlichkeitswirksamer Protest gegen die Pläne des Wissenschaftsressorts, bis 2010 in den bremischen Hochschulen fast 100 Millionen Euro einzusparen.

Seit dem frühen Morgen verhüllten die StudentInnen rund 20 Kunstwerke in der Bremer Innenstadt. „Wir wollten sie unsichtbar machen“, begründete AStA-Vertreter Daniel Müller die Aktion. Denn ohne eine qualifizierte künstlerische Ausbildung gehe in Bremen „ein Teil unserer Kultur verloren“. Und genau diese Ausbildung sei derzeit in Gefahr, befürchten Studierende wie ProfessorInnen der HfK.

Sieben der 72 HfK-Lehrstühle können momentan nicht besetzt werden, seit Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) verfügt hat, dass keine neuen Professoren berufen werden. Vorerst jedenfalls. Denn eine endgültige Entscheidung über den Wissenschaftsplan stehe nach wie vor aus, sagt Ressortsprecher Rainer Gausepohl. Und so habe Lemke „rechtzeitig signalisieren“ wollen, dass er künftig „vorsichtiger“ mit Berufungen umgehe.

An der HfK ist von diesem Memorandum die Musikpädagogik ebenso betroffen wie der Jazz, die Musikwissenschaft oder die Kombi-Professur für Elektronische Komposition und Sound-Design. Dabei soll gerade die Musik das Profil der Bremer HfK mit ihren 950 StudentInnen schärfen. „Das müssten wir aufgeben“, warnt Rektor Peter Rautmann. „Wir sind empfindlich in unserer Substanz beeinträchtigt.“

Seine Studierenden sehen das genauso. „Bremen spart sich zur kulturellen Provinz“, protestiert Müller. Würden die Sparpläne tatsächlich umgesetzt, sei die HfK „nicht mehr marktfähig“. Die Auswirkungen seien „verheerend“, sagt der AStA – und fordert eine finanzielle Ausstattung, „die dem Vergleich mit den anderen deutschen Kunst- und Musikhochschulen standhält“. Dennoch kommt der Protest spät: Lemkes Sparpläne datieren vom vergangenen September.

Der Sprecher von Kultursenator Jörg Kastendiek (CDU) wollte sich gestern nicht zu der Aktion äußern. Solange die verhüllten Kunstwerke nicht beschädigt würden, sagte er am Rande der zentralen Kundgebung vor dem Roland, sei das Lemkes Angelegenheit. Und auch die Polizei mochte nicht gegen den unangemeldeten Protest intervenieren. Was nicht heißt, das die Demonstrierenden auf allgemeines Verständnis stießen. „So‘ne Idioten“, schimpfte da eine um den Tourismus besorgte Bremerin. Und stampfte weiter. Jan Zier