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Archiv-Artikel

Wut über Karikaturen, besonnen im Protest

Die umstrittenen Mohammed-Karikaturen empören auch viele Muslime in Berlin. Von gewalttätigen Protesten wie im Nahen Osten wollen die meisten aber nichts wissen. Muslimische Verbände rufen zu Respekt und Besonnenheit auf

Ein wütender Mob, der dänische Fahnen verbrennt und Botschaften angreift – Bilder wie diese flackern in Berlin nur von den Fernsehschirmen. „Der Unmut über die Karikaturen der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten ist unter den Muslimen dieser Stadt zwar groß“, beschreibt Eren Ünsal vom Türkischen Bund die Stimmung. Bisher hätten aber alle besonnen reagiert. „Ich rechne mit keinen gewalttätigen Protesten in Berlin.“

Während selbst in europäischen Städten wie London und Paris Muslime gegen die Karikaturen auf die Straßen gehen, bleiben große Proteste in Berlin weitgehend aus. Lediglich eine Delegation der Initiative Berliner Muslime (IBMUS) übergab den Botschaften Dänemarks und Norwegens gestern Vormittag eine Unterschriftenliste, mit der sie ihren Protest gegen die umstrittenen Karikaturen zum Ausdruck bringen wollen. Gleichzeitig distanzierte sich die Initiative in einer Erklärung von „Pauschalisierungen, Gewalttätigkeiten und Hassparolen“ und forderte die Muslime zu „besonnenem Handeln“ auf.

Ähnlich sieht es Hüseyin Midik von der Türkisch-Islamischen Union (Ditib). „Friedliche, demokratische Formen des Protests wie zum Beispiel eine Unterschriftenliste halten wir für sinnvoll“, sagte Midik. Von Protesten, die in eine gewalttätige Richtung gehen könnten, distanziere sich aber auch seine Organisation. Der Vizepräsident der Islamischen Föderation in Berlin, Burhan Kesici, schloss sich dem an: „Solche Taten bauen Fronten auf, die in jahrelanger Arbeit nicht beseitigt werden können.“

Fragt man Menschen auf Kreuzberger Straßen, ist die Wut nicht zu überhören. „Jeder in Europa weiß, dass extrem islamistische Leute nichts auf den Glauben kommen lassen“, sagte der 46-jährige Mehmet K., Mitarbeiter in einem Internetcafé. Warum solche Karikaturen dennoch veröffentlicht werden, könne er nicht verstehen. „Provokation erzeugt Gewalt.“

Hussin Ali, der aus Syrien stammt, formulierte die vorhandene Wut in noch schärferen Worten: „Die verantwortlichen Karikaturisten sind Terroristen. Dafür gehören sie bestraft.“

Erleichtert über den insgesamt friedlich verlaufenen Protest von Muslimen in Berlin zeigte sich der Presseattaché der dänischen Botschaft, Henry Werner: „Ich bin froh darüber, dass das Verhalten der Muslime in Deutschland sich sehr dialogorientiert zeigt.“ Anders als seine Kollegen in einigen islamischen Ländern müsse er keine Angst vor gewalttätigen Protesten haben. Das Landeskriminalamt habe ihm versichert, dass es bisher keine konkrete Bedrohung in Berlin gebe.

Verständnis für den Protest der Muslime zeigte die Dänin Ingerlise Andersen, Redakteurin bei Radio Multikulti. „Diese Zeitung hat auf eine blödsinnige Art und Weise versucht, auf einer Welle der Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie zu reiten“, sagte sie. „Das war keine Satire, sondern pure Provokation.“ Dadurch seien viele Muslime in ihren Gefühlen verletzt worden. Der Karikaturenstreit ist im Programm von Radio Multikulti zurzeit ein durchgehendes Thema und wird in allen Sendungen aufgegriffen.

Koray Ceylan, 32, der einen türkischen Gewürz- und Teeladen in der Kreuzberger Oranienstraße betreibt, nannte die Karikaturen „grausige Abbildungen“, die ihn sehr wütend machten. Aber auch er hält nichts von den gewalttätigen Protesten in Syrien und dem Libanon. Er zitiert ein islamisches Sprichwort: Tiere verständigen sich, indem sie sich beschnuppern. Menschen können sich verständigen, indem sie miteinander sprechen. „Halten wir uns an die Menschen“, so Ceylan. „Reden wir lieber, als uns wie Tiere aufzuführen.“ FLEE, JR, PLU