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Archiv-Artikel

Schöner bewerben mit bayerischem Abitur

An den Universitäten im Freistaat tobt eine neue Debatte über den besonderen Wert der heimischen Hochschulreife

MÜNCHEN taz ■ Seit Jahrzehnten freuen sich die Bayern, dass sie irgendwie besser sind als der Rest der Republik. „Was, du hast kein bayerisches Abi?“, fragen bayerische Studenten ihre Kommilitonen mit einem besserwisserischen Grinsen: „Was willst du dann überhaupt hier?“ Nach zwei unterschiedlichen Urteilen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in München und Münster ist aus dieser freistaatlichen Arroganz eine handfeste bildungspolitische Debatte geworden,die wohl erst das Bundesverfassungsgericht endgültig entscheiden wird.

Das Münchner Verwaltungsgericht (VG) kritisierte in einem Urteil zu Beginn dieses Jahres die Praxis, den Abidurchschnitt als alleinige Hochschulzugangsberechtigung zu werten. Die Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern sei „aufgrund der bestehenden unterschiedlichen Leistungsniveaus und -anforderungen“ nicht gegeben. Auf gut Deutsch: Ein weiß-blaues Abi gilt mehr als ein nicht bayerisches. Geklagt hatte eine bayerische Abiturientin, die für ein Medizinstudium an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) in München abgelehnt worden war. Die Uni musste auf Weisung des Gerichts weitere acht bayerische Medizinstudenten aufnehmen, trotz schlechterer Abinoten.

Noch ist es ein vorläufiger Gerichtsbeschluss der untersten Instanz, aber es ist dennoch ein Urteil, das vielen Hochschulen Magenschmerzen bereiten dürfte. Denn erstmals kritisiert ein Gericht die neu gewonnene, aber wenig kreativ genutzte Autonomie der Hochschulen, die jetzt 60 Prozent ihrer Studenten selbst auswählen dürfen.

Als einziges Kriterium hat sich die LMU den guten Abi-Durchschnitt ausgesucht, egal ob Berliner „Individualabitur“ oder bayerisches Zentralabitur. Für das Gericht reicht das nicht. Gefordert wird, zumindest weitere Kriterien hinzuzunehmen. In der Urteilsbegründung verweisen die bayerischen Richter auf die Berliner Charité. Dort zählen gewichtete Einzelnoten und ein Auswahlgespräch, in Heidelberg etwa entscheidet auch eine vorangegangene Berufstätigkeit über die Zulassung.

Den Münchnern ist das zu kompliziert: „Wir haben in der Humanmedizin eine Überbuchung von 700 bis 800 Prozent, da kann es bei uns nicht primär um eine Auswahl gehen, sondern nur um eine möglichst gerechte Verteilung“, sagte LMU-Rektor Bernd Huber der taz. Deshalb entscheide man allein über den Abidurchschnitt. „Ein Kriterium, das praktikabel ist, den Studienerfolg recht gut vorhersagt und generell gut greift“, meint Huber. Eine Auswahl über andere Kriterien sei aufwändig – für Uni und Studenten, die dann individuelle Tests durchlaufen müssten. Eine Bewertung der Länder bei den Abinoten will sich Huber nicht anmaßen: „Das ist nicht unsere Aufgabe, und das können wir auch nicht leisten.“ Sollte der Beschluss Bestand haben, wäre das für Huber ein „Rückfall in die Kleinstaaterei, der den bundeseinheitlichen Hochschulzugang in Frage stellt“.

Auch die Westfälische Wilhelms-Universität Münster sortiert ihre Medizinbewerber nach der Abinote, dort aber, anders als in München, ausdrücklich genehmigt vom Verwaltungsgericht. Unter Verweis auf das Münchner Urteil hatte ein angehender Medizinstudent auf Zulassung geklagt. Doch die Münsteraner Richter urteilten anders: Eine Zugangsbeschränkung allein über das Kriterium Abinote sei „nicht evident fehlerhaft“, sondern in den Bundes- und Landesgesetzen ausdrücklich vorgesehen. MAX HÄGLER